Buxtehudes homosexueller Pastor Oliver Friedrich und sein Partner haben den Segen der St.-Petri-Gemeinde.

Buxtehude. Auf die eine Frage weiß Oliver Friedrich auch keine Antwort: Was, wenn er katholisch wäre? Der Pastor der evangelischen St.-Petri-Gemeinde in Buxtehude schaut aus dem Fenster seines Büros, von dem aus er direkt auf die imposante gotische Backsteinkirche blicken kann, die seit einem Jahr seine berufliche Heimat ist. "Tja, diese Frage hat sich mir Gott sei Dank nicht gestellt", sagt er mit einer gewissen Erleichterung in seiner Stimme. Ein schwuler katholischer Pastor? Undenkbar wäre das gewesen. Ein unlösbares Problem. Es wäre darauf hinausgelaufen, ein Doppelleben zu führen. "Und wenn es Spitz auf Knopf steht, verliert man sowieso sein Amt."

Man kann es somit als großes Glück bezeichnen, dass Oliver Friedrich, 45 Jahre alt und seit zwölf Jahren mit seinem Partner zusammen, evangelischer Pastor ist. Die Landeskirche Hannover, zu der Buxtehude gehört, hat, wie viele andere Landeskirchen in Deutschland auch, eine Regelung für homosexuelle Pastoren gefunden. Ausgelöst durch das 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz habe die Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands 2004 empfohlen, das Pfarrerdienstrecht zu ändern, erklärt Pressesprecher Johannes Neukirch.

Im Juli 2012 mündete diese Empfehlung in Hannover schließlich in die offizielle Regelung, dass gleichgeschlechtliche Paare im Pfarrhaus zusammenwohnen dürfen. Bedingung ist allerdings, dass sie beim Standesamt eine Lebenspartnerschaft begründen und dass Kirchenvorstand und Vertreter der Kirchenleitung zustimmen. Zuletzt hatte sich auch die Braunschweigische Landeskirche mit einem Synoden-Beschluss im November dieser Regelung angeschlossen.

Für Oliver Friedrich bedeuten die neuen Gesetze, dass er und sein Partner, der in Hamburg als Lehrer für Theologie und Farb- und Raumgestaltung arbeitet und lieber nicht in der Zeitung genannt werden möchte, nun auch ganz offiziell zu der laut Landeskirche im einstelligen Bereich liegenden Zahl der eingetragenen Partnerschaften in Pastorenkreisen gehören. Erst vor knapp drei Monaten seien sie zum Standesamt Buxtehude gegangen und hätten ihr Zusammensein auf dem Papier begründet, erzählt Oliver Friedrich. Dass dieser Schritt gleichwohl notwendig war, betonen sowohl Pressesprecher Neukirch als auch St. Petris Superintendent Helmut Blanke. Schließlich sei der Kernpunkt einer Partnerschaft - bei homosexuellen wie heterosexuellen Paaren -, dass sie auf Verbindlichkeit, Dauer und Treue angelegt ist, sagt Neukirch.

Diese rechtliche Gleichstellung und die Normalität dahinter spiegeln auch die Erfahrungen wider, die Oliver Friedrich bei seiner Bewerbung um das Pastorenamt in Buxtehude machte. Seine Homosexualität spielte dabei so gut wie keine Rolle. Gleich beim ersten Gespräch habe er erfahren, dass der Bewerber schwul sei, erzählt Helmut Blanke. "Ich habe da keinen Moment gezögert, die Frage war nur, wie der Kirchenvorstand reagiert." Doch auch dort: Kein Thema. Niemand äußerte Bedenken. Obwohl eigentlich der Kirchenvorstand bei der Auswahl die entscheidende Instanz gewesen wäre, gab er in diesem Fall das Wahlrecht an die Gemeinde weiter, die sich nach Bewerbungspredigten zwischen zwei Kandidaten entscheiden sollte.

Mit deutlichem Ergebnis gewann Oliver Friedrich die Abstimmung, im Gespräch mit den Gemeindemitgliedern war er offensiv mit seinem Schwulsein umgegangen. "Eine Frage war natürlich, wer denn mit mir ins Pfarrhaus einziehen würde", erinnert er sich. Die klassische Vorstellung, dass das neben der Pfarrersfrau bestenfalls noch eine fünfköpfige Kinderschar sein sollte, konnte er leider nicht bedienen. Er sagte: "Mein Lebenspartner", und stellte ihn den Leuten gleich vor. Diese Offenheit dürfte sich ausgezahlt haben, denn Helmut Blanke bestätigt, dass er zu keinem Zeitpunkt von irgendjemandem kritisch auf den neuen schwulen Pastor angesprochen wurde. "Es ist bei uns in Buxtehude einfach überhaupt kein Thema." Dass das so ist, überrascht Oliver Friedrich sogar ein wenig. Noch im Jahr 2008, als er seine erste Stelle als Gemeindepastor in Ingeln-Oesselse bei Laatzen antrat, war es ihm nicht gestattet, mit seinem Partner ins Pfarrhaus zu ziehen. Es sei zu früh für einen solchen Schritt, wurde ihm gesagt. So pendelte er dreieinhalb Jahre lang von der gemeinsamen Wohnung in Hildesheim aus zu seiner Arbeitsstelle, sein Schwulsein und sein Lebenspartner selbst waren dennoch überall im Ort bekannt und eigentlich auch gar kein Problem. Nur offiziell sollte es eben nicht sein.

Genau so hat es Oliver Friedrich lange Zeit für sich selbst gehalten. Im privaten Kreis hatte er sich bereits im Alter von 25 Jahren als schwul geoutet, nachdem er es etwa neun Jahre vorher gewusst hatte. "Es dauert einfach eine Zeit, bis man sich selbst darüber wirklich klar ist." Aber weder im Theologiestudium noch bei der Ordination im Jahr 2000 oder in seinen anschließenden acht Jahren als Schulpastor an den Berufsbildenden Schulen in Hildesheim brachte er sein Schwulsein offiziell zur Sprache. Warum? "Weil ich Schiss hatte." Diese Antwort hat er auch vor einigen Jahren dem Landessuperintendenten von Hildesheim gegeben, als der ihn fragte, warum er nicht schon bei seiner Ordination etwas von seiner Homosexualität gesagt habe.

Zu deutlich hatte Oliver Friedrich noch die Geschichte von dem bekannten Hannoveraner Pastor Hans-Jürgen Meyer vor Augen, der 1984 wegen seines offen gelebten Schwulseins vom Dienst suspendiert wurde. "Außerdem bestand zu keinem Kirchenvertreter so ein Vertrauensverhältnis, dass ich ihm alles hätte erzählen können."

Ganz im Gegenteil: Er ist sich sicher, dass ihm in den 90er-Jahren, während seiner Studienzeit, sicher jeder geraten hätte, bloß kein Pastor zu werden. Ihm selbst war ebenfalls klar, dass sein Weg so oder so ein steiniger werden würde. Die Schulpastoren-Stelle wählte er anfangs nicht zuletzt deshalb aus, weil er so der öffentlichen Situation in der Kirchengemeinde aus dem Weg gehen konnte.

Erst seitdem sich in den 2000er-Jahren das Klima in Deutschland immer mehr änderte und Männer wie Klaus Wowereit, Ole von Beust oder Guido Westerwelle politische Ämter bekleideten, spürte er, dass es voranging. Das Skandalöse am Schwulsein war einfach irgendwann weg. In der hannoverschen Landeskirche spielte dabei sicherlich auch der schwul-lesbische Konvent eine Rolle, einer losen Zusammenkunft von etwa acht bis zehn Leuten. "Wir sind da", habe diese Gruppe immer deutlich gemacht, sagt Oliver Friedrich. Das "Problem" lässt sich nicht wegdiskutieren.

Im Rückblick ist er davon überzeugt, dass er nur mit Hilfe seines Glaubens die Zeiten der Unsicherheit überstehen konnte. "Gott nimmt dich an und liebt dich, egal wer du bist", habe er immer gedacht. Je mehr er nun als Pastor taufe, desto mehr werde ihm dieses Versprechen des Glaubens klar, an dem auch die Institution Kirche nichts ändern könne. Es ist eine Zusage, die sich nicht rückgängig machen lässt. Wenn man sie ernst nimmt, kann niemand sagen: Wenn du aber schwul oder lesbisch bist, gilt sie nicht.