1993 wurde das Amt Neuhaus wieder dem Landkreis Lüneburg zugeordnet. Landrat Nahrstedt sieht Gemeinde gegenüber östlichen Nachbarn benachteiligt

Amt Neuhaus . Im Amt Neuhaus hat ein Jubiläumsjahr begonnen: Vor 20 Jahren, am 30. Juni 1993, wechselten acht Gemeinden mit damals gut 6000 Einwohnern von Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen und wurden Teil des Landkreises Lüneburg. Es waren die einzigen Ostdeutschen, die sich in den Westen aufmachten, ohne ihre Dörfer zu verlassen.

Es handelte sich um eine Heimkehr, denn die Ortschaften am östlichen Elbufer gehörten bereits von 1689 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zum niedersächsischen Landkreis. Nach einem Zusatzabkommen zum Londoner Protokoll hatten die Alliierten den sogenannten Neuhäuser Streifen der sowjetischen Besatzungszone zugeordnet. Gleich nach der Wende, 1989, machten sich Einwohner für den Wechsel nach Niedersachsen stark, 1993 wurde ein Staatsvertrag geschlossen. Am 29. Juni tauschten die beiden Ministerpräsidenten die Ratifizierungsurkunden aus und vom nächsten Tag an waren die Neuhäuser Niedersachsen.

Doch was hat es gebracht? Bürgermeisterin Grit Richter (parteilos) ist im Großen und Ganzen zufrieden mit der Integration in den Westen und der Entwicklung ihrer Gemeinde. "Wir haben viel Förderung bekommen, Straßen wurden gebaut", sagt sie. Ob das alles so gekommen wäre, wenn man in Mecklenburg-Vorpommern geblieben wäre, könne sie nicht sagen.

Eine Brücke werde schmerzlich vermisst. Die ganze Region würde davon profitieren, ist die Bürgermeisterin überzeugt. Die Menschen müssten mit der Fähre über die Elbe setzen oder die entfernten Brücken in Lauenburg oder Dömitz nutzen. "Wir brauchen über eine Stunde bis in die Kreisstadt Lüneburg", klagt sie. Mit Brücke, schätzt Richter, wären es nur noch 35 Minuten. Außerdem kostet die Fähre Geld: Auf der "Tanja" muss für das Auto 3,50 Euro bezahlt werden, pro Person zudem ein Euro. Bei Hoch- und Niedrigwasser sowie Eisgang fahren die beiden Fähren nur eingeschränkt.

Die nicht existierende Brücke zwischen Darchau (Ostufer) und Neu Darchau (Westufer) ist seit Jahren ein wunder Punkt: Ihr Bau war im Überschwang der Wiedervereinigung versprochen worden. Heute verweisen Kritiker auf die geschätzten Kosten in Höhe von 45 Millionen Euro. Am 20. Januar, parallel zur Landtagswahl in Niedersachsen, findet im Landkreis Lüneburg eine Bürgerbefragung statt. Bürgermeisterin Richter sieht die Befragung persönlich kritisch. Sie befürchtet, dass weiter entfernt wohnenden Bürgern des Landkreises das Projekt egal ist. Am 12. Januar werde mit einer Menschenkette auf dem Darchauer Deich für den Bau demonstriert, kündigt sie an.

Der Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) sieht die Integration der Neuhäuser positiv. "Entscheidend für die Integration ist der Kontakt der Menschen, und da sehe ich einen offenen Umgang miteinander", sagt er. Das Amt Neuhaus verfüge mittlerweile über einige Vorzeigeprojekte. "Ich denke da zum Beispiel an den Elbe-Tourismus und die Archeregion mit dem Archezentrum Amt Neuhaus, das wir in diesem Jahr eröffnen werden." Bei dem Archeprojekt geht es um den Erhalt vom Aussterben bedrohter Haustierrassen.

Wie andere Gemeinden im Ostteil des Landkreises Lüneburg habe sich das Amt allerdings nicht so positiv entwickelt, wie sich Nahrstedt das gewünscht hätte. "Der demografische Wandel zeigt hier seine Spuren, die auch mit einer Elbbrücke eingetreten wären." Und: Durch den Solidarpakt für die ostdeutschen Bundesländer, von denen das Amt Neuhaus nicht profitiere, sei es gegenüber seinen östlichen Nachbarn benachteiligt. "Das ist eigentlich nicht länger vertretbar", meint der Landrat. Heute hat das Amt Neuhaus noch 4800 Einwohner.