Konspirative Kreative drehen einen Dokumentarfilm über die Entwicklung Wilhelmsburgs aus Sicht der Metrobuslinie 13.

Das Team der Konspirativen Küchenkonzerte kann nicht nur Fernsehen. Die zweimal für den Grimme-Preis nominierten Kreativen aus Wilhelmsburg machen jetzt Kino. Von Filmemachern, die sonst Musiker und Köche in die heimische Küche einschließen und beobachten, was sich daraus entwickelt, darf man Extravagantes erwarten. So spielt ein Hamburger Linienbus die Hauptrolle in dem Dokumentarfilm. Voraussichtlich ab März soll der Film in die deutschen Programmkinos kommen.

"Wilde 13" nennen die Menschen in Wilhelmsburg liebevoll die wichtigste Buslinie ihres Stadtteils, den Metrobus 13. Der gleichnamige Dokumentarfilm der Wilhelmsburger Produktionsfirma "Hirn & Wanst" ist eine Hommage an ihren Stadtteil, in dem die Einheimischen ihrem Linienbus einen Kosenamen geben. Er ist Heimatfilm und internationales Phänomen zugleich. Denn entlang der Buslinie lässt sich ein sozioökonomischer Prozess beobachten, der aus Citys in ganz Europa bekannt ist: Gentrifizierung, die geplante Aufwertung eines Stadtviertels, die bisher alteingesessene Milieus verdrängt. In atemberaubendem Tempo bauen Stadtplaner, Architekten und Bauherren Wilhelmsburg um, zeitgleich Ort einer Internationalen Bauausstellung und Internationalen Gartenschau. Wer sich ein Ticket für den Metrobus 13 kauft, sitzt im Gentrifizierungs-Kino in der ersten Reihe.

Kerstin Schaefer, Redakteurin der Konspirativen Küchenkonzerte, nennt die "Wilde 13" den spannendsten Bus Deutschlands. Die Kulturanthropologin hat ein Buch über das Phänomen "Wilde 13" geschrieben. Jetzt folgt der Film zum Buch, unterstützt von der Filmsförderung Hamburg Schleswig-Holstein. "Wir packen aber nicht die wissenschaftliche Keule aus", sagt Produzent Marco Antonio Reyes Loredo.

Einheimische entführen in ihre ganz persönlichen Wilhelmsburger Welten. Da ist Kofi, genannt Captain Jack. Der Afrikaner gilt als der bekannteste Busfahrer auf den Elbinseln. Stets trägt er eine Chauffeurmütze auf dem Kopf. Eigentlich kennt die Hochbahn keine Dienstmütze mehr. Aber Captain Jack hat in seinem Einstellungsgespräch durchgesetzt, dass er sie tragen darf. Eine Reminiszenz an seinen Vater, der Polizist in Ghana gewesen ist.

Die Kamera begleitet noch den Kulturschaffenden Mathias Lintl, "Chefkoch" der Soulkitchenhalle und ein Spezialist für unentdeckte Flecken in Stadtvierteln. Ihre Welt im Umbruch zeigen auch ein 17 Jahre alter türkischer Migrant und der 70 Jahre Rentner Peter. Eine Fotografin, die neu nach Wilhelmsburg gezogen ist, zeigt ihre Perspektive derselben Heimat.

"Es geht um Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte der Menschen, die in Wilhelmsburg etwas geschaffen haben", sagt Marco Antonio Reyes Loredo. Stadtführer in der Elbinsel-Hommage ist kein Mensch, sondern eine Maschine. Die Filmemacher setzen den Linienbus 13 so effektvoll in Szene, dass er wie ein Lebewesen erscheint. Aus 45 Meter Höhe fängt die Kamera die "Wilde 13" ein, die sich wie Raupe Nimmersatt durch das Viertel schiebt. Kameramann Paul Spengemann kletterte für die spektakuläre Perspektive in eine an einem Kran baumelnde kleine Gondel. Sphärische Walgesänge jubelt der Soundspezialist dem fahrenden Bus unter und leistet so dem Anthropomorphismus der Maschine als lebendigem Organismus Vorschub.

Die Arbeiten zur Filmproduktion laufen noch. Das rohe Filmmaterial ist "im Kasten", jetzt folgen Schnitt und Postproduktion. Das Sounddesign spielt eine große Rolle. Marco Antonio Reyes Loredo und Tonmeister Jakob Spengemann ziehen in diesen Tagen durch die Straßen von Wilhelmsburg und suchen den Sound der Elbinseln. Das Knartschen der Gelenkverbindungen, der Takt der Scheibenwischer, das Zischen der Hydraulik - das Mikrofon zeichnet jedes erdenkliche Geräusch des Metrobusses auf.

Wie ein beinahe unsichtbar getarnter Außerirdischer in den Science-Fiction-Filmen der Reihe "Predator" lässt eine Kameraeinstellung den Bus erscheinen, wenn sich in seiner gläsernen Silhouette die Architektur der aus dem Boden gestampften Ortsmitte spiegelt. Gebäude scheinen zu tanzen, wenn sich der Elbinsel-Wal majestätisch an ihnen vorbei schlängelt. Technische Artefakte zu lebendigen Organismen überhöht - "Hirn & Wanst" erweist damit deutschen Film-Epen wie "Metropolis" eine Reminiszenz. "Wir inszenieren den Bus in Anlehnung an den Experimentalfilm der 1920er-Jahre", sagt Marco Antonio Reyes Loredo. Ein Experiment, dass den Filmemachern körperlich einiges abverlangte: Am ersten Drehtag im Bus schaukelte die "Wilde 13" die Crew dermaßen durch, dass sie sich seekrank fühlte.

Wer so leidet, plant Großes: "Wir werden zur Premiere ein Kino eröffnen", kündigt Marco Antonio Reyes Loredo an. Wenn alles wie geplant läuft, erhält die Elbinsel Wilhelmsburg ein Lichtspielhaus zurück. Vorgesehen ist, dass zumindest im nächsten Jahr, dem Präsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung und der Internationalen Gartenschau in Wilhelmsburg, das 1986 geschlossene "Rialto" wiedereröffnet. Dort soll dann "Die Wilde 13" im Heimspiel Premiere feiern.