Eine Glosse von Harry Grunwald

Mein Nachbar Jörg (40 Zigaretten am Tag) will das Rauchen aufgeben. Mein Freund Erwin (130 Kilogramm) schwört, dass er im neuen Jahr nur noch tausend Kalorien täglich zu sich nimmt. Und mein Skatbruder Herbert (zwölf Punkte in Flensburg) fährt ab sofort nur noch mit Bus und Bahn, sagt er.

Und ich? Meine guten Vorsätze haben meistens nur bis etwa zum 15. Januar gehalten. Deshalb will ich mir diesmal lieber nicht ein von Grund auf anderes und besseres Leben vornehmen. Vorerst stehen nur drei Dinge auf meiner Vorsatz-Liste: Ich will auch 2013 wieder den Geburtstag meiner Tante Hedwig vergessen und mir damit ihren Zorn zuziehen. Wie bisher werde ich die Bücher aus der Bücherei regelmäßig mit Verspätung abgeben. Und zu Ostern, bei Geburtstagsfeiern und zu Weihnachten will ich viel zu viel essen.

Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, ob ich das ernst meine. Doch, doch, das tue ich! Ich habe aus den Pleiten mit meinen guten Vorsätzen gelernt. Bisher ist auf Dauer fast immer das Gegenteil von dem eingetreten, was ich mir so mutig vorgenommen hatte. Ich kam mir so klein und mies vor und hätte mich vor dem Spiegel fast als Versager beschimpft. Das wird mir nicht wieder passieren.

Außerdem habe ich neulich etwas über dialektische Umkehrschlüsse gelesen. So ganz verstanden habe ich die Sache nicht, nur so viel: Wenn bei guten Vorsätzen Fehlschläge herauskommen, könnten schlechte Vorsätze doch zum Erfolg führen.

Vielleicht werde ich dann Tante Hedwig tatsächlich an ihrem Geburtstag anrufen, meine entliehenen Bücher fristgerecht zurückgeben und mich bei opulenten Festessen vornehm zurückhalten.