Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums in Buchholz reisen zur Recherche für ihre Facharbeit nach Indien.

Buchholz. Es ist eine Reise ins große Unbekannte, die zwölf Schüler des Buchholzer Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG) am Neujahrstag antreten werden. Vom Hamburger Flughafen aus fliegen sie nach Dubai und von dort weiter ins indische Kochi. In Kattappana, einer 40.000-Einwohner-Stadt in der Region Kerala im Südwesten des Landes, werden sie dann knapp eine Woche bleiben, um den Ort kennenzulernen, mit dem sie sich seit Beginn des Schuljahres nur in der Theorie beschäftigt haben.

"Die Merkmale Indiens am Beispiel Kattappanas" lautet der nüchterne Titel des Seminarfachs, das hinter diesem schulischen Abenteuer-Trip steckt. Ein halbes Jahr lang haben die neun Mädchen und drei Jungen für ihre Facharbeit, die sie im kommenden Schuljahr schreiben müssen, die inhaltlichen und methodischen Vorbereitungen getroffen. Die Reise nach Indien wird dafür sozusagen nun das praktische, exotische Kernstück bilden, denn in dem fremden Land sollen die Schüler zu Themen wie Kleidung, Tänze oder Hinduismus vor Ort Interviews führen, recherchieren, fotografieren und das Unbekannte hautnah erleben.

"Für die Jugendlichen wird das eine unglaubliche Erweiterung des Horizonts sein", ist sich Schulleiter Hans-Ludwig Hennig sicher. Er selbst hat bereits mehrfach Kattappana und andere Teile Indiens bereist und weiß, welche Erfahrungen man in dem Land machen kann, das so ganz außerhalb unseres europäischen Vorstellungsvermögens liegt. "Es gibt nicht diese Konsum-Mentalität, das Leben findet größtenteils auf der Straße statt, und die Kinder dort sind einfach nur froh, dass sie überhaupt in die Schule gehen dürfen", erzählt er. Dass die Buchholzer Schüler das alles nun erleben können, ist letztlich auf die Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 zurückzuführen. Seitdem unterhält das AEG ein Projekt, mit dem es Menschen in der Region Kerala unterstützt. Den Kontakt dorthin stellte Martin Cherian von der Deutsch-indischen Gesellschaft (DIG) in Winsen her.

Aus drei Bausteinen habe das Projekt zunächst bestanden, berichtet Hennig. Zum einen sammelte das AEG Geld, um Häuser für die Menschen bauen zu lassen. Zum anderen unterstützten sie die örtliche Schule, die Auxilium School, beim Kauf von Computern oder der Gestaltung des Schulhofes. Als drittes übernahm das AEG Patenschaften für Kinder in der Region. "Die DIG in Winsen hat allein mehr als 200 Kinder vermittelt", sagt Hennig.

Insgesamt dreimal machte sich der Schulleiter gemeinsam mit anderen Kollegen auf den Weg nach Kattappana und besuchte die Salesianer-Nonnen, die die Auxilium-School leiten. Dann reifte in Hennig schließlich der Entschluss, auch die Buchholzer Schüler an dem Projekt teilhaben zu lassen. Ein Schüleraustausch kam aufgrund der finanziellen Situation der Menschen dort aber nicht infrage, Kattappana sollte stattdessen zum außerschulischen Lernort werden. Für 25 Schüler schien das eine interessante Sache zu sein, sie wollten an dem Seminarfach der etwas anderen Art teilnehmen. Dass letztlich nur zwölf mitmachen durften, liegt daran, dass Hennig, der selbst neben Martin Cherian die Schüler begleiten wird, die Zahl der Reisenden überschaubar halten wollte. "Die Schüler werden beispielsweise auch nicht in Gastfamilien wohnen, sondern in einem Hotel", erklärt er. Aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse und der fehlenden sanitären Einrichtungen in den Privathäusern hätte er den Jugendlichen wegen der potenziellen Erkrankungsgefahr nichts anderes zumuten können. In ihren Seminararbeiten ergründen die Schüler nun den Alltag der Menschen. Max Glaser, 16, wird beispielsweise die Rolle des Kaffeeanbaus für die Region beleuchten, Vera Möller, 17, schaut sich die traditionellen indischen Kleidungsstücke an, und Eva Burmeister, 17, wird die Geschichte und Aufgaben der Salesianer-Schwestern näher erforschen. Luzie Brieger, 16, hat wohl die exotischste Wahl getroffen: Sie habe sich im Vorfeld gefragt, ob es dort auch Elefanten gibt, erzählt sie. Es sollte tatsächlich der Fall sein, die Tiere werden dort als Arbeitstiere eingesetzt. Ihren Mitschülern dürfte sie damit vermutlich einen der unvergesslichen Tage der Indienreise bescheren, denn ihre Recherchen, bei denen sie von den anderen begleitet wird, sind mit einem Ritt auf einem der Tiere verbunden.

Sind die Daheimgebliebenen bei solchen Erlebnissen nicht vielleicht etwas neidisch auf die Zwölfer-Truppe? "Das glaub ich nicht", sagt Eva Burmeister. Die anderen würden höchstens sagen, dass sie auch gerne mitgekommen wären. In Jonathan Stövers Augen hat die Beschränkung auf eine Höchstzahl an Teilnehmern dazu geführt, dass jeder von ihnen "zu hundert Prozent von der Sache überzeugt ist" und so besonders engagiert mitmacht.

Erfahrungen mit Indien hat noch keiner der Schüler, einige von ihnen waren lediglich mit ihren Eltern auf den Malediven oder in Thailand - jedoch als Touristen. Max Glaser könnte sich aber schon jetzt vorstellen, dass er das Land noch einmal intensiver kennenlernen möchte, wenn ihm der Aufenthalt gefällt. "Die Reise ist für mich die erste außerhalb Europas." Die Angst vor Slums oder hoher Kriminalität kann Schulleiter Hennig den Jugendlichen zumindest nehmen. Die Region Kerala gehört zum "heilen Indien", in dem es keine allzu krassen sozialen Unterschiede gibt. Etwas anderes macht Hennig ihnen ebenfalls klar: Sie sind nicht einfach irgendwelche Schüler, die ins Ausland fahren. Nein, in den Augen der Inder sind sie offizielle Vertreter Deutschlands.