Nach Misshandlungen auf Pferdekoppeln im Landkreis Stade rät die Polizei zu mehr Kontrolle und Aufmerksamkeit der Bewohner.

Neu Wulmstorf . "Videoüberwacht", lesen Pferdebesitzer, bevor sie die Halle mit 63 jeweils zwölf Quadratmeter großen Ställen in einer der größten Reitanlagen der Region betreten. "Bereits auf der Hofeinfahrt werden alle gebetenen und ungebetenen Gäste gefilmt", sagt der Betreiber der Pferdepension in Neu Wulmstorf, der nicht namentlich genannt werden möchte. "Ich will keine schlafenden Hunde wecken", sagt er zur Begründung. Er beherbergt in seinem Großstall Zuchttiere im Wert von bis zu 50.000 Euro.

"Nachts werden die Stalltüren zu den Paddocks unter freiem Himmel abgeschlossen", so der Neu Wulmstorfer Pferdewirt weiter. Weitere Sicherheit vermittelt ihm die Gewissheit, dass zwei seiner Mitarbeiter auf der einsam in ländlicher Umgebung gelegenen Hofstelle wohnen und regelmäßig die Ställe und Außenanlagen kontrollieren. Angst vor einer Misshandlung eines Pferdes auf seiner Anlage durch einen psychisch kranken Triebtäter verspürt er nicht: "So etwas ist hier noch nicht passiert, seitdem meine Familie Ende 2009 den Reiterhof übernommen hat."

Kurz vor dem Besitzerwechsel allerdings, am 16. Juni 2009, ereignete sich ein Vorfall, der bis heute viele offene Fragen hinterlässt. Als Andrea Cordes aus Buxtehude um 17 Uhr den Außenbereich des Stalls ihrer 16-jährigen Hannoveraner-Stute Dakota betrat, sah sie das Tier in einer Blutlache auf dem Boden liegen. Das Blut quoll aus zwei tiefen Stichwunden, die wenige Stunden später zum Tod des Pferdes in einer Tierklinik führten. Der Täter konnte nach Angaben der Polizei in Neu Wulmstorf bis heute nicht ermittelt werden.

Kameras und Kontrollgänge, die solche Vorfälle auf der Neu Wulmstorfer Reitanlage verhindern sollen, werden nach Angaben von Rainer Bohmbach zum Standard. "Viele Pferdebesitzer treffen vermehrt eigeninitiativ Sicherheitsvorkehrungen", sagt der Sprecher der Polizeiinspektion Stade. "Das kann durchaus ein gutes Mittel zur Vorbeugung sein", so Blohmbach weiter. "Bei uns melden sich derzeit viele überwiegend verunsicherte Pferdehalter und erkundigen sich nach Möglichkeiten der Prävention und über richtiges Verhalten im Ernstfall."

Der Grund für die gestiegene Wachsamkeit sind drei aktuelle Fälle von Pferdemisshandlungen im Elbe-Weser-Raum. Wie berichtet, quälte ein Unbekannter am Wochenende 18./19. August das vier Monate alte Fohlen Greta, das auf einer Pferdekoppel an der Straße Zum See in Großenwörden im Landkreis Stade stand. Die starken Schnittverletzungen im Genitalbereich des Tieres führten zu lebensbedrohlichen Blutungen. Der alarmierte Tierarzt ließ das Fohlen in eine Spezialklinik nach Schleswig-Holstein bringen, wo es starb.

Am 12. Oktober und in der Nacht zum 16. Oktober schlug mutmaßlich derselbe Täter auch auf Pferdekoppeln in Nachbarorten zu. Während er in Lamstedt zwei Stuten lediglich schwer verletzte, stach er einer 21-jährigen Stute in Oldendorf so tief in den Genitalbereich, dass sie eingeschläfert werden musste. Nach Aussage der behandelnden Veterinäre deuten die Verletzungen bei dem in Großenwörden misshandelten Stutfohlen auf sexuelle Handlungen durch einen oder mehrere Täter hin.

Der Sprecher der Polizei im Landkreis Stade hält es für sehr gut möglich, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt. Manche Fälle blieben aufgrund eines glimpflicheren Verlaufs der Misshandlungen unentdeckt. "Wenn ein Halter aber bemerkt, dass sein Pferd Opfer einer mutwilligen Verletzung geworden ist, dann sollte er nicht nur an die medizinischen Versorgung des Tieres denken, sondern auch ans Sichern wichtiger Täterspuren", so Bohmbach. Im Großenwördener Fall gebe es bereits wertvolle Hinweise auf Verdächtige.

In Lüneburg zum Beispiel ereignete sich im Sommer ein eher typischer Fall, der die Pferdebesitzer mit Ungewissheit zurücklässt. "An den Hinterbeinen der völlig verstörten Stute meiner Verpächterin fanden sich Fesselspuren", berichtet Sabine Jessen-Taureg. "Und ihre vier anderen Pferde wollten nicht mehr nach unten zum Stall laufen." Bis heute weiß sie nicht, was auf der Koppel geschehen ist. Jessen-Taureg: "Der Genitalbereich war gerötet, aber nichts blutig verletzt." Die 57-Jährige sucht für ihre Stute Dona und die etwa 30 weiteren Tiere der Sanitätsreiterstaffel der Johanniter-Unfallhilfe jetzt dringend einen sicheren Reitplatz in der Region.

"Wenn der Täter nicht auf frischer Tat gestellt wird, kann er nur durch seine am Tatort hinterlassenen Spuren überführt werden", sagt Polizeisprecher Bohmbach. Er appelliert auch an Spaziergänger, besonders wachsam zu sein gegenüber Verdächtigen in der Nähe von Pferdekoppeln und -ställen.

Die Tierschutzorganisation Peta hat eine Belohnung von 1000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Überführung des Täters der jüngsten Missbrauchsserie führen. Die zuständigen Ermittler der Polizei in Stade sind unter der Telefonnummer 04141/10 22 15 zu erreichen.