Nordmanntanne oder Blaufichte: Zum Fest wünschen wir uns den perfekten Baum. Wie viel Arbeit dahinter steckt, zeigt ein Besuch in Wenzendorf.

Wenzendorf. Ein einziger Schlag mit der Axt - und zehn Jahre Arbeit sind hinüber. Liebevoll haben Bernd Oelkers und sein Team die Tanne über die Zeit gehegt und gepflegt, sie haben sie vor Frost geschützt und ihre Zweige geschnitten. Dann kommt Weihnachten und - schwupps - ist alles vorbei. Frisch geschlagen wandert die Tanne für nur wenige Tage in die deutschen Wohnzimmer und wird danach entsorgt. Der Weihnachtsbaum hat seinen Auftrag erfüllt. Tschüs, im nächsten Jahr holen wir uns einen neuen!

Für Bernd Oelkers ist das aber kein Grund, in eine Sinnkrise zu verfallen. Ganz im Gegenteil, als Weihnachtsbaumverkäufer mit einem Familienbetrieb im Rücken lebt der 50-Jährige davon, Bäume anzupflanzen, aufzuziehen und sie letztlich auch zu fällen. Der Besitzer des Hofs Oelkers in Wenzendorf, der ebenfalls Vorsitzender des Bundesverbands der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger Deutschlands ist, will seinen Kunden zum Fest den perfekten Baum präsentieren, und dass es den nicht ohne Zutun gibt, versteht sich eigentlich von selbst.

Es ist ein gut geplantes System, das jedes Jahr für ausreichend zahlreichen und ausreichend schönen Nachschub auf dem Weihnachtsbaummarkt sorgt. Wer so wie Oelkers drei Millionen Bäume auf einer Fläche von 400 Hektar sein Eigen nennt, muss den Überblick behalten. "Jedes Jahr bauen wir 300.000 bis 500.000 neue Bäume an, je nachdem, wie viele im Winter zuvor geschlagen wurden", erzählt er. Die Neuankömmlinge stehen größtenteils alle zusammen in 24er-Reihen, einige finden aber auch zwischen den älteren Bäumen Platz.

Angeliefert werden Nordmanntanne, Blaufichte oder Nobilistanne als dreijährige Winzlinge aus einer Baumschule im Rellinger Raum - dem Kindergarten der Weihnachtsbäume sozusagen. Bei Oelkers verbringen die Bäume dann ihre Schulzeit bis zur Mittleren Reife. "Der klassische Baum ist zehn Jahre bei uns und zwei Meter hoch gewachsen", sagt er. In den Grundschuljahren der Bäume ist diese Größe nur schwer vorstellbar. Sechs Jahre alt seien beispielsweise diese Nordmanntannen hier, sagt Bernd Oelkers' Tochter Angela und zupft den Schnee von den Zweigen. Sechs Jahre - und die zarten Pflänzchen sind gerade mal zwölf Zentimeter hoch und können mit Mühe aus dem Schnee hervorblinzeln. Ein paar Reihen weiter stehen die neunjährigen Nordmanntannen, die bereits die 1,30-Meter-Marke geknackt haben, daneben eine 13-Jährige mit einem stolzen Gardemaß von 2,20 Meter.

Anders sieht es bei den Blaufichten aus. Sie sind bereits nach acht Jahren bei zwei Metern angelangt, während die Rotfichte geschwindigkeitsmäßig noch mal einen drauflegt. Nach nur sechs Jahren ist sie zwei Meter hoch. "Blau- und Rotfichten sind generell frohwüchsiger", formuliert es Bernd Oelkers in der Fachsprache der Baumexperten.

In ihren ersten Jahren sind die Weihnachtsbäume äußerst pflegeleicht. Lediglich der Begleitwuchs muss entfernt und das Unkraut rund um die Bäumchen gejätet werden. Wenn der Baum nach einigen Jahren schließlich den Boden bedeckt, steht der Formschnitt an. "Die Nordmanntanne ist häufig sehr dick, deshalb müssen wir sie schlanker schneiden", sagt er. Einmal im Jahr gehen die Mitarbeiter durch die Reihen - bei den Millionen Bäumen kann man sich ausrechnen, wie aufwendig das ist. Das Ziel ist die klassische Pyramidenform.

Einmal im Jahr müssen die Bäume auch gedüngt werden, während das Gießen bei ihnen ausfällt. Tannen und Fichten haben eine Pfahlwurzel, die bis zu einer Tiefe von 1,50 Meter vertikal in den Boden wächst und den Baum so mit ausreichend Wasser versorgt. Bewässerungsanlagen sind dennoch quer über die Weihnachtsbaumplantage verlegt. "Für den Frostschutz", sagt Oelkers. Wie die Obstbauern im Alten Land zur Apfelblüte muss auch er seine Zöglinge, wenn sie im Mai austreiben, vor eiskalten Nächten schützen. Auf den beregneten Bäumen bildet sich ein Eispanzer, der bei Frost isoliert. "In diesem Jahr konnten wir zum ersten Mal seit fünf Jahren die Anlagen auslassen", erzählt er. Die Eisheiligen hatten sich von ihrer freundlicheren Seite gezeigt.

Doch nicht immer ist darauf Verlass. Wenn etwa eine neunjährige Tanne, die kurz vor der Weihnachtsbaumreife steht, in Frost gerate und als Zeichen des Leidens eine zitronengelbe Farbe annimmt, sei das das Schlimmste, was passieren könne, sagt er. Die jahrelange Arbeit, das ganze Geld, alles umsonst investiert. Dass das keine Seltenheit ist, belegen die Zahlen, die Oelkers nennt. Nur aus 60 bis 70 Prozent der Pflanzen werde letztlich ein Weihnachtsbaum. Um noch einmal im Schulvergleich zu bleiben: Diese anderen sind die Schulabbrecher, die ohne Abschluss vom Hof gehen.

Selbst für sie hat Oelkers aber eine Verwendung und verarbeitet die Zweige zum Tannengrün. Andere Mängel wie etwa eine fehlende Spitze - in der Fachsprache Terminale genannt - lassen sich ebenfalls ausbügeln. Man schnappt sich einfach einen der benachbarten Zweige und bindet ihn hoch. "Der wächst dann automatisch in die Lüfte." Bei Feuchtigkeit gedeiht sie übrigens besonders gut. Das Dumme an der Sache ist nur, dass derartige mangelhafte Tannen im Verkaufspreis reduziert werden. Der Baum hat mehr Kosten verursacht, aber geht günstiger an den Kunden. "Damit müssen wir eben leben", sagt Oelkers, der seine Bäume für zwölf bis 60 Euro verkauft.

Weihnachtsbäume seien Naturprodukte und im Grunde nicht extravagant, fasst er zusammen. Dennoch muss sich Oelkers mit seinen fünf festen Mitarbeitern, zu denen in der Adventszeit um die 70 Saisonkräfte hinzukommen, fast ganzjährig mit den Bäumen befassen. "Bis auf die Monate Januar und Februar sind wir ständig in den Kulturen."