Konfirmanden der evangelisch-lutherische Johannesgemeindei in Tostedt gestalten neuen Gottesdienst mit Film, Interview und Jugendband.

Tostedt. Wenn ein ganz normaler Gottesdienst stattfindet, liefert die Kirche in vielen Fällen ein trauriges Bild ab: Gähnende Leere bestimmt das Szenario. Wenn überhaupt Jugendliche auf den Bänken sitzen, dann nicht selten nur, weil sie es müssen, da sie kurz vor der Konfirmation stehen und der Gottesdienstbesuch für sie Pflicht ist. Die evangelisch-lutherische Johannesgemeinde Tostedt will bewusst etwas dagegen setzen und hat das Projekt Johannes 2.0 eingeführt.

Dahinter steckt eine völlig neue Form des Gottesdienstes, eine Mischung aus N-Joy, Markus Lanz und Die Ärzte, wenn man so will. Das klingt vielleicht etwas übertrieben, aber Tatsache ist: in diesen neuen Gottesdiensten gibt es eine Jugendband mit Bass, Schlagzeug und Gitarre, die extra neu gegründet wurde.

Die andere Art des Gottesdienstes fängt schon bei der Tasse Kaffee an, mit der die Kirchengänger begrüßt werden. Es werden Interviews geführt und statt einer langen Predigt gibt es auf nur wenige Minuten beschränkte Beiträge - wie in N-Joy-Radiosendungen auch. Dieser neue Gottesdienst, von dem zunächst drei in Planung sind, verdient also das Prädikat "Jung", und das ist genau das, was Pastor Gerald Meier wollte - einen jungen Gottesdienst.

"Über die Jugendlichen wollen wir die Eltern ansprechen", sagt er, "um die große schweigende Mehrheit wieder zu aktivieren und sie für den Glauben zu gewinnen." Denn von den insgesamt rund 8500 Mitgliedern schaffen es gerade mal 50 am Sonntag in die Kirche.

Grund genug für Pastor Meier, neue Wege auszuprobieren. Die Hauptkonfirmanden der Gemeinde, die den nächsten Gottesdienst von Johannes 2.0 mit dem Thema "Es wird Zeit" vor kurzem im Gemeindehaus vorbereitet haben, sehen vieles in der Kirche als antiquiert an, obwohl sie nicht zu denen gehören, die Gott und die Kirche grundsätzlich ablehnen. Zwar hängt ihr Glaube eng mit der kindlichen Vorstellung von einem Gott, der Wunder bewirkt zusammen, äußern einige, aber offenbar ist das Interesse für den Glauben da. "Es gibt sicherlich noch etwas anderes, Größeres unter uns", ist ein Junge überzeugt.

Dennoch sagen diese Jugendlichen ganz offen, dass es sie kaum freiwillig in die Kirche zieht, dass immer die gleichen Lieder gespielt und die gleichen Geschichten erzählt würden. Sie kritisieren den Gottesdienst als zu altmodisch und ziehen sogar Vergleiche mit dem Mittelalter.

Wie man es anders macht, hat Pastor Gerald Meier in einer Fortbildung am Michaeliskloster Hildesheim erfahren. Kern des Ganzen war, sich mit der Jugendkultur auseinanderzusetzen. "Wo sich die Konfirmanden wohl fühlen, fühlen sich auch die Eltern wohl", sagt Pastor Gerald Meier. "Der Habitus von den Jugendlichen und ihren Eltern gleicht sich immer mehr an." Sprich: Die Mütter kleiden sich wie ihre Töchter. Die Väter treiben den gleichen Sport wie ihre Söhne. Die Eltern schauen sich die gleichen Kinostreifen an und hören die gleichen Radiosendungen wie ihre Kinder.

Vor diesem Hintergrund hat es die Kirche mit ihren traditionell langen Predigten, ihren religiösen Riten und Zeremonien und ihrer eher fremdartigen Orgelmusik schwer, die jungen Menschen ins Haus zu locken. Gerald Meier und seine Mitstreiter lernten unter anderem von einem N-Joy-Moderator, worauf es in diesen anderen Gottesdiensten ankommt. Zusammen mit einem 20-köpfigen Vorbereitungsteam aus Jugendlichen, Kirchenvorstandsmitgliedern, Lektoren und Konfirmandengruppen taktet der Pastor die Gottesdienste neu.

Das erste Ergebnis konnte sich schon sehen lassen: Beim Auftakt von Johannes 2.0 im November unter der Überschrift "Du nervst" strömten statt der üblichen 50 Besucher 300 Menschen in die Kirche. Davon haben 90 Besucher einen Fragebogen ausgefüllt. Fast alle (98 Prozent) gaben positive Rückmeldungen. Es gab Filmsequenzen und einen Song von den Ärzten zu hören. Ähnliche Medien kommen auch beim nächsten Gottesdienst von Johannes 2.0 zum Einsatz, in dem es um Advent und Weihnachten geht. Die Macher skizzieren, warum die Festzeit so schwer fällt. Beginn ist um 11 Uhr. Wer aber früher, um 10.30 Uhr kommt, bekommt eine Tasse Kaffee.

Ein weiterer Gottesdienst aus dieser Reihe findet am Sonntag, 10. Februar, 11 Uhr, statt. Das Thema lautet "Zeig Dich!". Ein Gottesdienst, der hinter die Masken schauen möchte.

Damit aber keine Missverständnisse aufkommen: Johannes 2.0 ist lediglich eine Alternative. Den traditionellen Gottesdienst wird es selbstverständlich weiterhin geben.