Neues Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen wird zu wenig genutzt. Niedersachsen richtet Koordinierungsstelle ein.

Salzhausen/Hannover. In finanzielle Schieflage geratene Unternehmen müssten viel öfter als bisher die Möglichkeiten nutzen, die ihnen das Insolvenzrecht seit dem Frühjahr dieses Jahres bietet. Das sagt ein Mann, der seit Anfang des Monats in Niedersachsen die Aufgabe hat, Firmen über genau solche Perspektiven aufzuklären: Joachim Weigelt, bislang bei der Investitions- und Förderbank Niedersachsen für Bürgschaftsfragen zuständig, ist Leiter der neuen Koordinationsstelle für Restrukturierung in Hannover.

Deren Ziele: Bestenfalls sollen Insolvenzen ganz abgewendet werden. So das aber nicht in jedem Fall gelingen kann, fokussiert die Beratung auf Sanierung und Fortführung eines Unternehmens anstatt auf dessen Abwicklung. "Wir wollen uns darum bemühen, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben", sagt Weigelt.

Ein ganz entscheidendes Instrument dafür sei das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, kurz ESUG. Darin ist der sogenannte Schutzschirm verankert, in dessen Schatten zurzeit auch nach Zukunftskonzepten für das angeschlagene Krankenhaus in Salzhausen gesucht wird.

Aber die Klinik in der Heide ist damit noch die ganz große Ausnahme. Viel zu wenige Firmen nutzten die Chancen, die ESUG bietet, sagt Joachim Weigelt. Weit mehr als 2000 Unternehmensinsolvenzen werden jährlich in Niedersachsen registriert, genau 2472 weist der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie allein für das bis jetzt letzte Berichtsjahr 2011 aus. Joachim Weigelt schätzt, dass seit Inkrafttreten des ESUG maximal ein Prozent der potenziell zahlungsunfähigen Firmen unter den Schutzschirm geschlüpft sei. Er hofft, deren Anteil deutlich erhöhen zu können.

Voraussetzung für das Schutzschirmverfahren ist, wie in Salzhausen, dass die Zahlungsunfähigkeit nur droht, aber eben noch nicht eingetreten ist. Der zuständige Insolvenzrichter bestellt in so einem Fall einen Gläubigerausschuss, dem die wichtigsten Gläubiger sowie andere Interessensvertreter, etwa Gewerkschafter, angehören. Dieses Gremium wiederum schlägt einen sogenannten Sachwalter vor, eine Person, die ein Auge auf alle gefällten Entscheidungen wirft. Die Entscheidungshoheit aber liegt grundsätzlich weiterhin bei der bisherigen Geschäftsführung. Alle gemeinsam haben dann drei Monate Zeit, einen tragfähigen Sanierungsplan auf die Beine zu stellen.

Nur darf der Zeitpunkt dafür eben nicht verpasst werden. Joachim Weigelt: "Insbesondere in kleineren, inhabergeführten Betrieben gibt es einen Chef, der das Sagen hat. Der muss erst mal akzeptieren, dass seine Firma ein Problem hat. Er muss den Mut haben, sich jemandem anzuvertrauen." Der Leiter der neuen Koordinationsstelle hofft, dass sich solche Menschen an ihn wenden werden. Er könne dann aufklären, Netzwerke nutzen, Kontakte herstellen. "Im Endeffekt kann nur Routine helfen, so ein Verfahren schnell und schlank nach vorn zu bringen", sagt er.

Das Land Niedersachsen ist überzeugt vom Erfolg der neuen Koordinierungsstelle, es hat sie selbst ausgestattet. Zunächst läuft das Projekt für zwei Jahre.

Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Liersch sagt: "Die Insolvenz bedeutet schon lange nicht mehr das Ende eines Unternehmens." Er betont, dass bessere Planbarkeit die Sanierungswahrscheinlichkeit für einen Betrieb erhöhe.

Träger der Einrichtung sind insbesondere die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der DGB-Landesvorsitzende Hartmut Tölle betont: "Das neue Insolvenzrecht setzt die Priorität, Betriebe zu sanieren statt sie abzuwickeln." Er fordert, Beschäftigte und Gewerkschaften frühzeitig einzubeziehen, wenn eine Krise drohe, und sagt: "Die Koordinierungsstelle bietet dazu die Chance."

Auch UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller sagt, dass es vorrangig darum gehe, "Arbeitsplätze für Niedersachsen zu sichern". "Unsere institutionelle Verbindung zu den Sozialversicherungsträgern leistet dabei wertvolle Hilfe, denn sie stellen oft als erste den Isolvenzantrag." Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände seien die richtigen Träger der Einrichtung, denn: "Sie bilden ein dichtes Informationsnetz über alle Branchen im ganzen Land und erfahren hohe Legitimation sowohl durch Arbeitnehmervertreter als auch durch die Arbeitgeber."