Breakdancer messen sich im Wettkampf. Mit Förderung der Kulturstiftung wird das Harburger “Stellwerk“ ein wichtiger Treffpunkt der Szene.

Harburg . Die etwas zu weite Hose ist modische Pflicht. Das T-Shirt schlackert schlampig, bewusst nicht elegant den Oberkörper umschmeichelnd. Und die Schirmmütze auf dem Kopf gehört meist dazu. Wer deshalb denkt, HipHopper sind nur sich herumlümmelnde Ghetto-Styler, irrt gewaltig. Knapp 80 Breakdancer, im HipHop-Jargon auch B-Boys genannt, haben sich am Sonnabend im Harburger Club "Stellwerk" im Wettbewerb gemessen. Wer die artistischen Überschläge und Pirouetten auf dem Kopf sieht, die durchtrainierten Waschbrettbäuche unter den hoch rutschenden Basketball-Hemden bewundert, merkt schnell: Breakdance ist eine athletische Tanzform und ambitionierter Sport.

Die Hamburgische Kulturstiftung hat erstmals den Breakdance-Wettbewerb "Enter the Circle" unterstützt, der in den 1990er-Jahren in Kiel seinen Ursprung hatte. Mit dem Geld aus der Kulturförderung konnten Breakdance-Crews aus Dänemark und den Niederlanden nach Harburg geholt werden, sagt "Stellwerk"-Chef Alexander Grieschat.

Bisher war Hamburg ein weißer Fleck auf der Karte der B-Boy-Battles, also der ritualisierten Straßentanz-Wettbewerbe der Breakdancer. Das soll sich jetzt ändern: In Zukunft solle "Enter the Circle" jedes Jahr in Harburg und Kiel stattfinden, sagt Hendrik Holdmann. Seine Breakdance-Crew Battle Apes aus Kiel und Alexander Grieschats Agentur Grossstatttraum aus Harburg sind der gemeinsame Veranstalter.

Im Wettkampf, dem Battle, treten zwei Dreier-Teams gegeneinander an. In Harburg legen die DJs Kid Cut und Jango PND Jackson treibende Funk-Musik auf. Wie streitende Gangs stehen sich die Tänzer im Kreis gegenüber. Abwechselnd springt ein B-Boy in die Mitte, zeigt, was er kann: flinke Tanzschritte, Überschläge, Saltos. Breakdance ist ursprünglich ein Sammelsurium von asiatischen Kampfsportarten, Stepptanz, Salsa und afrikanischen Tänzen. Heute dominiert die Akrobatik.

Die B-Boy-Crews treten im K.o.-System gegeneinander an: Wer verliert, ist aus dem Wettbewerb raus. Eine Jury entscheidet. In Harburg beäugen die Hamburger Breakdance-Koryphäen SonnyTee und Big Stok zusammen mit dem Amerikaner Iron Monkey von den Renegarde Rockers die athletischen Kunststücke auf dem harten, lackierten Clubboden. Ohne eine Miene zu verziehen, so cool, dass es beinahe schon desinteressiert wirkt, machen sich SonnyTee und Big Stok ihr Bild, um am Ende in Richtung ihres Favoriten zu zeigen und so das Urteil zu sprechen. Iron Monkey huscht auch schon einmal ein Lächeln über das Gesicht, wenn ihn die Darbietung begeistert.

Was bewertet die Jury eigentlich? Die Fähigkeiten und die Kontrolle nach Sprüngen spielen für das Urteil eine Rolle - aber nicht allein. Das Auftreten als Team und die Fähigkeit des Tänzers, sich im Einklang mit der Musik zu bewegen, ist den Juroren wichtig. "Es ist akrobatisch, aber immer noch Tanz", verlangt Big Stok den Takt der Musik zu beachten. Ein B-Boy müsse Charakter zeigen, nicht nur halsbrecherische Überschläge. Er wolle eine komplette Story sehen, fügt Iron Monkey hinzu.

Der tänzerische Straßenwettkampf ersetzt die physische Auseinandersetzung zwischen Gangs. Zu der kompletten Geschichte, die Juror Iron Monkey betont, gehören deshalb auch provozierende Blicke und Gesten während des Tanzes. Wenn dem Gegner eine besonders akrobatische Tanzfigur gelingt und das Publikum begeistert aufschreit, reagiert der B-Boy mit einem müden Lächeln und abwinkender Geste nach dem Motto: "Das hab' ich dich schon als Dreijähriger gekonnt!"

Das Heranspringen an die gegnerische Crew auf der Tanzfläche gilt als besonders scharfe Provokation. Dabei gilt die Regel, den Kombattanten nie zu berühren. Die Breakdance-Kultur baue auf Regeln auf, erklärt Alexander Grieschat. Und eine ganz wichtige sei: Respekt. Die gegenseitige Umarmung der gegnerischen Crews am Ende des Battles gehört in Harburg fast immer zum Bild dazu. Man kennt und schätzt sich in der Szene. Moderator Rap-T fordert zwischenzeitlich sogar zum provozierenden Posen auf: "Ihr seid viel zu freundlich", ruft er ins Mikrofon, "das ist ein Battle hier."

Trotz lauter Funk-Musik und Club-Atmosphäre: Der Breakdance-Wettbewerb erinnert eher an eine Sportveranstaltung. Bier geht kaum über den Tresen. Der Veranstalter stellt den Tänzern Wasser und Energiespender in Form von Bananen und Äpfeln gratis zur Verfügung. "Das ist eine Kulturveranstaltung", sagt Alexander Grieschat, "Umsatz machen wir hier nicht." Auch das Publikum darf zwischendurch tanzen: "Open Floor" heißt es in der Wettkampfpause.

Mit gekonnten Provokationen und athletischen Tanzfiguren fällt Wal-B aus Osnabrück auf. Viermal in der Woche trainiere er im Jugendzentrum, sagt der 25-Jährige, unmittelbar nach dem Battle noch außer Atem. Zweimal im Monat etwa fährt der gelernte Mediengestalter zu Wettkämpfen in ganz Deutschland. "Die Location hier ist klasse", sagt er über das Harburger "Stellwerk".