Mit einem Weihnachtslieder-Upgrade sagen die Rotarier in Buchholz der Vergesslichkeit den Kampf an, damit sich niemand blamiert.

Buchholz . "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter!" Die Ode an den Nadelbaum ist wohl das bekannteste Weihnachtslied der Deutschen. Die ersten Liedzeilen kennt jeder. Aber wer kennt den ganzen Text? Wer kennt noch die Strophe "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, du kannst mir sehr gefallen"?

Nicht wenige haben die peinliche Situation schon selbst erlebt: Schwiegereltern, Onkel, Bekannte oder Arbeitskollegen, wer auch immer, stimmen in einem feierlichen Moment ein Weihnachtslied an. Die ersten Zeilen kennt man noch, die Erinnerung daran hat sich in einem hinteren Winkel des Gehirns tief eingegraben. Aber spätestens bei der zweiten Strophe senkt man den Kopf leicht beschämt zu Boden, senkt die Stimme und es reicht nur noch zu einem sonoren Mitsummen der Melodie.

Damit das nicht passiert, hat sich der Rotary Club Buchholz ein Weihnachtslieder-Auffrischungsseminar ausgedacht. Am Sonnabend war es wieder so weit. Beim zwanglosen gemeinsamen Singen vor der überdachten Bühne am Veranstaltungszentrum Empore hatte jeder die Gelegenheit, mit einigen Hilfsmitteln seine Erinnerung an Lieder wie "Morgen, Kinder, wird's was geben" oder "Süßer die Glocken" zu wecken.

Zur Heilung der Weihnachtslieder-Demenz setzt der Rotary-Club traditionelle und moderne Mittel ein. Ein Laptop zaubert die Liedtexte zum Mitlesen minutiös gleich auf zwei Bildschirme links und rechts der Bühne und unterstützt damit das visuelle Lernen. Simultane audiotechnische Unterstützung liefern die Jungen und Mädchen des Chores der Grundschule Moisburg. Ihr Gesang hilft über manche Erinnerungslücke hinweg - wie auch das Posaunenspiel der Kirchenmusiker von St. Paulus. Ein bewährtes, traditionelles Hilfsmittel schließlich hilft entscheidend mit, die Stimmbänder zu aktivieren: Heißer Punsch macht Kehle und Kopf frei.

Helmut Fuchs kennt etwa 25 Weihnachtslieder. Der 78-Jährige aus Harburg-Eißendorf müsste eigentlich nicht mehr die Weihnachtslieder-Akademie der Rotarier besuchen. "Durch das Singen wird man 100 Jahre alt, wenn man nicht vorher stirbt", erklärt er, warum er sich trotzdem vor der Bühne eingefunden hat.

Mit etwa 20 Weihnachtsliedern im Kopf ist auch Anke Grabe besonders singfest und für jede Weihnachtsfeier gerüstet. Mittlerweile im dritten Jahr bietet der Rotary Club Buchholz sein Weihnachtslieder-Upgrade an - Anke Grabe ist in jedem Jahr dabei gewesen. "Es freut mich, gemeinsam mit Freunden zu singen", sagt die 48-Jährige aus Klecken und erfindet noch ein deutsches Wortungetüm: "Ich bin ein Weihnachtslieder-Auffrischungsseminar-Veteran."

Ihr Ehemann Matthias Grabe schätzt den gesellschaftlichen Stellenwert des Weihnachtslieder-Auffrischungsseminars sogar höher ein als die parallel laufenden Fußball-Bundesligaspiele. Fußball sei keine Alternative zu dieser Veranstaltung, sagt er. Schließlich gebe es das Seminar nur einmal im Jahr. Und einen Podcast, fügt er hinzu, biete der Rotary Club ja nicht an.

Von der Freundin überzeugt, überredet, mitgeschleift - wie auch immer: Silke Hamann, 49, will Erinnerungslücken an deutsches Kulturgut nicht länger akzeptieren und singt kräftig mit. Etwa zehn Jahre sei es her, schätzt sie, dass sie zuletzt Weihnachtslieder gesungen habe. Kollektiv im Freundeskreis bekämpft sie erfolgreich das Kulturdefizit.

"Die Hoffnung und Beständigkeit, gibt Kraft und Trost zu jeder Zeit." Wieder so eine Textzeile aus "Oh Tannenbaum", die einem im Laufe der Jahre verloren gegangen ist. Lauter als die Erwachsenen schmettern die Jungen und Mädchen des Grundschulchores, dick verpackt bei minus drei Grad und garantiert ohne Punsch als Dopingmittel, den Liedklassiker. Ein großer Spickzettel in der Hand hilft jedem über Textlängen hinweg. Viele Erwachsene lauschen lieber still und lassen nur ein lecker Heißgetränk über ihre Lippen.

Während deutsche Weihnachtslieder oft eher sakral und bedächtig klingen, kommt der angelsächsische Christmas-Sound schwungvoller daher. "Rudolph the red nosed reindeer" swingt so schön, dass es Santa Claus vom Schlitten fegt. "Es ist mein Lieblingslied", sagt auch Bernd Hinkenjann, Organisator des Auffrischungsseminars.