Die Elbe Heide eG will Solaranlagen und Windräder im Landkreis errichten. Jeder Bürger kann mit 250 Euro dabei sein

Elf Bürger aus dem Landkreis Harburg haben die Energiegenossenschaft Elbe Heide gegründet. Das Hamburger Abendblatt sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden, Ingo Rieckmann, 40, aus Döhle, über Pläne und Ziele.

Hamburger Abendblatt:

Herr Rieckmann, wie kam es zur Gründung der Energiegenossenschaft Elbe Heide?

Ingo Rieckmann:

Ausgangspunkt war die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. Danach haben sich auch im Landkreis Harburg engagierte Leute zusammengetan und Mahnwachen abgehalten. Erst ging es uns darum, über regenerative Energien aufzuklären. Dann haben wir uns gesagt, es ist besser, Taten sprechen zu lassen. Am besten ist eine Tat, bei der sich Bürger engagieren können. Deshalb haben wir die Energiegenossenschaft ins Leben gerufen.

Wer kann bei der Energiegenossenschaft mitmachen?

Rieckmann:

Bei uns können die Leute in erneuerbare Energien investieren, auch wenn sie keinen Acker für Windräder oder ein Dach für Sonnenkollektoren besitzen. Jeder Bürger und jedes Unternehmen kann Mitglied werden und hat unabhängig von seinen Anteilen eine Stimme. Ein Anteil kostet 250 Euro.

Was können die Genossen verdienen?

Rieckmann:

Auch eine Genossenschaft ist eine Unternehmensform, die für ihre Anteilseigner eine Rendite erzielen möchte. Angedacht ist eine Verzinsung von drei bis fünf Prozent auf die Einlage im langjährigen Schnitt.

Was ist das Ziel ihrer Genossenschaft?

Rieckmann:

Der Landkreis Harburg soll eine 100-Prozent-Erneuerbaren-Energie-Region werden. Wir wollen so viel Energie im Landkreis erzeugen, wie wir verbrauchen. Das betrifft Strom und Wärme. Bestenfalls werden wir eine 200-Prozent-Region und liefern Strom nach Hamburg. Früher haben wir nur Lebensmittel aus dem Umland in die Stadt gebracht. Das machen wir zwar immer noch, aber in Zukunft werden wir auch Energie liefern.

Warum braucht Hamburg Energie aus dem Landkreis Harburg?

Rieckmann:

Wenn wir in den nächsten Jahrzehnten ohne Kohle und Gas als Energieträger auskommen wollen, wird eine große Metropole wie Hamburg nicht energieautark sein können. Die Hansestadt bietet nicht genug Fläche für regenerative Energieanlagen und ist daher auf die Energielieferung aus dem Umland angewiesen.

Aber 2014 geht doch das Kohlekraftwerk Moorburg ans Netz ...

Rieckmann:

... So ein Kohlekraftwerk, das auf eine Laufzeit von 40 und mehr Jahren angelegt ist, hätte in heutiger Zeit gar nicht geplant werden dürfen.

Was ist der Vorteil einer regionalen Energieerzeugung im Vergleich zu Strom aus einer Anlage wie in Moorburg?

Rieckmann:

Nicht nur das Weltklima profitiert. Energieanlagen, die durch eine Genossenschaft im Landkreis errichtet werden, erzielen maximale Wertschöpfung in der Region. Die Energie wird vor Ort erzeugt und muss nicht importiert werden. Wenn wir Gewinne machen, werden diese vor Ort ausgeschüttet und füllen nicht die Kassen von nationalen oder internationalen Energiekonzernen wie E.on oder Gazprom.

Was für Anlagen will die Energiegenossenschaft Elbe Heide bauen?

Rieckmann:

Wir wollen Solaranlagen auf Dächern und auf geeigneten Freiflächen errichten sowie Bürgerwindparks bauen. Denkbar ist auch, dass wir uns an modernen Wärmeversorgungsnetzen wie Blockheizkraftwerken beteiligen oder diese selbst bauen.

Gibt es schon konkrete Projekte?

Rieckmann:

Wir haben uns an einem Bieterverfahren des Landkreises Harburg für die Dächer der kreiseigenen Gebäude zur Fotovoltaiknutzung beteiligt. Und wir planen eine Kleinwasserkraftwerkanlage zu bauen. Wir sind bereits in konkreten Verhandlungen über mögliche Standorte.

Noch steht ihre Genossenschaft mit 11 Mitgliedern auf recht dünnen Beinen...

Rieckmann:

:n der Gründungsphase ist es einfacher, nur wenige Genossen an Bord zu haben. Wir wollen aber schnell eine Größe mit einer professionellen Struktur erreichen und erste Arbeitsplätze im Landkreis schaffen. Das operative Geschäft soll mittelfristig durch bezahlte Mitarbeiter gelenkt werden. Der Vorstand und der Aufsichtsrat bleiben ehrenamtlich tätig.

Kann ich Strom bei Ihrer Genossenschaft beziehen?

Rieckmann:

Wir sind bis auf weiteres Stromerzeuger und kein Stromlieferant. Um Strom liefern zu dürfen, müssen Konzessionen vorliegen, für die man eine gewisse Größe haben muss.

Woher bezieht der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft seinen Strom?

Rieckmann:

Bei der Naturstrom AG. Die liefert Strom aus rein regenerativen Energien, erzeugt in Deutschland.

Worin liegt ihre Motivation, ehrenamtlich eine Energiegenossenschaft ins Leben zu rufen?

Rieckmann:

Eine vernünftige Energiewende kann nur dezentral passieren. Also brauchen wir Regionen, in denen die hergestellte Energie auch gleich verbraucht wird.

Muss ich als Genosse eigentlich Angst haben, dass meine Einlage irgendwann futsch ist?

Rieckmann:

Auch eine Genossenschaft kann Insolvenz anmelden, wie das Beispiel Krankenhaus Salzhausen zeigt. Im schlimmsten Fall haftet jeder Genosse nach Satzung nur mit seiner Einlage. Allerdings wird jede Entscheidung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat und die Generalversammlung kontrolliert, und der Genossenschaftsverband hat auch ein Auge auf uns. Allen Investitionen der Genossenschaft steht ein Sachwert wie ein Windrad und die staatlich garantierte Einspeisevergütung für den Strom gegenüber.