Weltpremiere: John Neumeiers Bundesjugendballett trat in der Otterndorfer Sole-Therme auf. Das Becken wurde dafür leergepumpt.

Otterndorf. Das gab es so noch nie: Eine große Weltpremiere im kleinen Nordseebad Otterndorf bot das John Neumeier Bundesjugendballett im Schwimmbecken der Otterndorfer Sole-Therme. Wo sonst Badegäste sich vergnügen oder Schwimmer angefeuert werden, gab es vom Publikum stehende Ovationen für eine Ballettvorstellung der Spitzenklasse. Das 25 Meter lange und 12,5 Meter breite, leergepumpte Schwimmbecken wurde zur Bühne und zum Zuschauerraum.

Die kleine Bühne und der außergewöhnliche Raum waren für die Techniker, Bühnenbauer, Beleuchter und vor allem die Tänzer eine ebenso interessante wie anspruchsvolle Herausforderung. In das Schwimmbecken wurde eine Bühne gestellt, deren Seiten- und Rückwände mit Molton beklebt waren, Lichttraversen wurden installiert, und der Sprungturm diente als Halterung für das Kulissenbild von Leonard Bernstein. Der leicht ansteigende Beckenbereich wurde mit rutschsicherem Bodenbelag versehen, um dort die Stühle für das Publikum aufzubauen.

Zu drei Vorstellungen, die binnen weniger Stunden ausverkauft waren, gingen die Scheinwerfer an den Lichttraversen an, direkt unter dem Sprungturm boten acht Tänzerinnen und Tänzer in vollendeter Ästhetik und hinreißender künstlerischer Umsetzung grandiose Ballettszenen. Zum Teil in Kostümen von Armani ließen sie zur Musik von Leonard Bernstein im Tanz fantasievolle Bilder zu einer choreografischen Harmonie verschmelzen.

Hochprofessionell präsentierte die Compagnie Ballette verschiedener Choreografen. So tanzten sie Auszüge aus John Neumeiers Ballettrevue "Bernstein Dances", Ausschnitte aus Natalia Horecnas Ballett "Dressed up in tissue paper" und eine Choreografie von Kevin Haigen, dem Künstlerischen Leiter der Compagnie. Zum Programm gehörten zudem Werke von zwei jungen Tänzern und Choreografen. Das Ballett "Les yeux verts cheveux noirs" von Patrick Eberts, der selbst Mitglied des Bundesjugendballetts ist, und der Pas de deux "Hide and Seek", der von Marc Jubete, einem jungen Tänzer des Hamburg Balletts, geschaffen wurde.

"Es ist schon eine sehr spezielle Mischung aus Neugier und Lust am Ausprobieren, auf so einer Bühne zu tanzen", sagt Yukino Takaura, 20. Schließlich sei es das erste Mal, dass so ein Experiment gewagt wurde. Schon der Zugang zur Bühne über die Leitern sei ungewohnt, dazu mussten sich alle auf die relativ klein bemessene Bühne einstellen. Und in feuchtwarmer Schwimmbadluft sei Tanzen recht schweißtreibend, sagt die Tänzerin aus Japan. "Aber es hat uns sehr viel Spaß gemacht und Freude bereitet."

Die Idee zu diesem Experiment hatte die Otterndorfer Lehrerin Marianne Nitsche, Vorsitzende des Musikbeirates. "Ich bin absoluter Ballettfan und dachte, dass in der Reinigungswoche, wenn das Wasser aus dem Schwimmbecken gepumpt werden muss, etwas Besonderes oder ganz Abgefahrenes geboten werden könnte." Sie nahm Kontakt zu Lukas Onken, dem Organisatorischen Leiter des Bundesjugendballetts, auf. Gemeinsam mit Kevin Haigen, dem Künstlerisch-Pädagogischen Leiter wurden die ungewöhnlichen Voraussetzungen in der Sole-Therme angeschaut und letztlich für würdig befunden, die künstlerische und technische Herausforderung anzugehen und zu meistern.

Mit dem Samtgemeindebürgermeister und Stadtdirektor von Otterndorf, Harald Zahrte, und der Bäderbetriebsgesellschaft Hadeln fand Marianne Nitsche Verbündete, die das Projekt mithilfe von Sponsoren auf den Weg brachten. Am Ende habe sich das Wagnis gelohnt, so Nitsche nach den Aufführungen. "Absolut fantastisch", kommentiert die Organisatorin die Leistungen der Tänzer. "Dafür gab es stehende Ovationen und das Publikum lobte diese grandiose Leistung in den höchsten Tönen."

Auch die Tänzer des Balletts genossen die Beifallstürme und nach getaner künstlerischer Arbeit ein erfrischendes Bad in den anderen Becken der Sole-Therme. Nach diesem Erfolg steht die Frage bei vielen Zuschauern, ob es eine solche Vorstellung im kommenden Jahr noch einmal geben könnte? "Nein", sagt Marianne Nitsche, dann sei es wohl eher Zeit, eine neue Idee umzusetzen. Denn davon hat die Kunstenthusiastin noch viele im Köcher.