Andrea Peters bringt “Kids in Bewegung“. Sie versucht, nur mäßig fitte Schüler in Rosengarten für den Vereinssport zu begeistern

Rosengarten. Deutschlands Kinder bewegen sich zu wenig und verbringen zuviel Zeit im Sitzen. Computer, Fernsehen und Internet bestimmen in der Freizeit den Alltag. Das macht die Kinder dick, faul und motorisch ungeschickt. Mehrere Studien haben diese Entwicklung bereits festgestellt.

Auch für die Sportwissenschaftlerin Andrea Peters, 48, aus Rosengarten-Leversen ist das nicht neu. Sie versucht, in der Gemeinde Rosengarten etwas dagegen zu tun - mit dem Sportprojekt "Kids in Bewegung", das vor zwei Jahren startete. Im Landkreis Harburg ist es das erste kommunale Sportprojekt dieser Art. Dass Politik und Verwaltung an den Erfolg des Projektes glauben, hat sich erst vor einigen Tagen gezeigt: Der Jugend-, Sozial- und Sportausschuss empfahl einstimmig, 15 000 Euro in "Kids in Bewegung" zu stecken und die Initiative bis Ende 2013 zu verlängern.

Kurzfristig geht es unter anderem darum, die Kinder über das gesamte Spektrum der Sportangebote in der Gemeinde zu informieren. Langfristig, so hofft Peters, soll es mit Hilfe des Projektes gar nicht erst zu Bewegungsmangel, Übergewicht und Fehlernährung der Kinder in der Gemeinde kommen.

"Kids in Bewegung" soll dazu führen, dass sich Kinder an Spiel- und Bewegungsangebote binden. Zudem richtet sich das Projekt an unfitte Kinder, die kaum Sport treiben. Denn Andrea Peters, selbst eine leidenschaftliche Sportlerin, die Volleyball, Tennis und Tischtennis spielt, weiß aus eigener Erfahrung, wie gut Bewegung tut. "Sport motiviert und stärkt vor allem das Selbstbewusstsein", sagt sie.

Hat das Projekt Erfolg, wird es vielleicht nicht mehr solche Bilder geben, die Andrea Peters in den 15 Jahren, in denen sie mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, immer öfter vor Augen hat: Grundschüler, die sich weder zur Seite noch rückwärts bewegen können. Neunjährige, die selbst beim Überwinden einfacher Hindernisse Probleme haben und ihr Gleichgewicht nicht halten können. "Was in unserem Kindesalter normal war, ist heute verloren gegangen", sagt sie. "Die grundmotorischen Fähigkeiten sind heute viel niedriger anzusetzen als vor 20, 30 Jahren."

Kinder verbringen heute im Vergleich zu früher viel mehr Zeit im Zimmer als draußen beim Toben. I-Phone, Computer und Fernseher haben auf Jugendliche solch eine Anziehungskraft, dass es gar nicht so einfach ist, sie für die sportliche Welt zu begeistern. Noch dazu sind viele Mütter und Väter den ganzen Tag berufstätig und haben wenig Zeit, ihren Nachwuchs zum Sport zu bewegen und darauf zu achten, dass er Medien maßvoll nutzt.

Andrea Peters sieht daher die besten Anknüpfungspunkte bei den Grundschulen. Die Kinder sind noch vor der pubertierenden Protesthaltung, empfänglich für Angebote und neugierig. Also arbeiten Andrea Peters und andere Vereinstrainer eng mit den Grundschulen zusammen, unterstützen im Unterricht und versuchen, das Sportangebot zu erweitern. Denn die Krux sei, so Peters, dass der Sport, den die Jungen und Mädchen betreiben, sich meistens auf Fußball und Reiten reduziert. "Aber nicht jeder Junge spielt gern Fußball, und nicht jedes Mädchen geht gerne Reiten."

Mädchen im Sport bei der Stange zu halten, ist besonders schwierig. 14- bis 17-jährige Mädchen sind in ihrer Freizeit seltener aktiv als Jungen. Für ein Viertel der Mädchen in diesem Alter spielt Sport in der Freizeit überhaupt keine Rolle. Im Durchschnitt sind Jungen im Alter von elf bis 17 Jahren acht Stunden pro Woche körperlich aktiv, Mädchen hingegen nur vier bis fünf Stunden. Das hat das Robert-Koch-Institut 2008 in der bundesweiten Studie Kinder- und Jugendgesundheitssurvey herausgefunden.

Diese Ergebnisse decken sich mit den Zahlen in den Mitgliederstatistiken der Vereine in Rosengarten. Sobald die Mädchen die Grundschule verlassen haben, verschwinden sie auch aus dem Vereinssport. Andrea Peters glaubt, es hängt auch von den Angeboten ab, wie lange ein Jugendlicher Mitglied im Verein bleibt. "Das muss breit gefächert sein, um die Jugendlichen halten zu können."

Deshalb versucht sie mit dem Projekt auch, das Interesse für eine Sportart zu wecken, die meistens nur noch in Jugendherbergen und auf Spiel- und Sportplätzen ausgeübt wird: Tischtennis. Das macht sie so geschickt, dass viele Kinder Ehrgeiz entwickeln und mitmachen wollen. Die Sportlehrerin hat einen Tischtennis-Rundlauf-Team-Cup für die Grundschulen und die Oberschule Rosengarten entwickelt. Am Ende gibt es einen Schulsieger.

Für Tischtennis können sich viele Drittklässler der Grundschule Westerhof offenbar erwärmen, zeigt ein Blick hinter die Kulissen des Sportunterrichts. Die Schüler rennen vergnügt um die Platte herum, nehmen die Bälle von Andreas Peters spielend leicht an und haben ganz offensichtlich Spaß. Rückwärts oder seitwärts zu laufen, macht ihnen keine Probleme. Auch die Sportwissenschaftlerin ist voll des Lobes: "Es ist eine gute Klasse. Die Kinder sind aufnahmebereit und aufnahmefähig."

Die Schulen nehmen das Angebot dankbar an. Die Sportlehrer der Grundschule Westerhof beispielsweise sind im Tischtennis lange nicht so fit wie Andrea Peters. "Deshalb begrüßen wir es sehr, dass sie uns da unterstützt. Und sie hat einen guten Kontakt zu den Kindern", sagt Ingrid Putensen, 58, Fachleiterin im Sport an der Grundschule.

Neben dem Tischtennis-Cup gibt es zahlreiche weitere Aktionen, etwa die "Kita-Sporttage", eine Kooperation von Kita und Sportvereinen, in der 17 Jugendliche aus den Sportvereinen in der Gemeinde Rosengarten ihre Schulsport-AGs vorstellen und mit den Kleinen üben. Es gibt außerdem Sport-Workshops, Sport-Feste und Turniere.

Inwieweit Andrea Peters es schon geschafft hat, mit dem Projekt den Grundschülern Beine zu machen, vermag sie nicht zu sagen. Sie weiß, dass sie von ihrem Ziel, Kinder, für die Sport ein Gräuel ist, zum lebenslangen Sporttreiben zu motivieren, weit entfernt ist. Aber sie ist stolz, dass ein Netzwerk steht, dass die Vereine, Schulen, Kitas, die Jugendarbeit und sie als Koordinatorin miteinander und füreinander arbeiten. Ende kommenden Jahres wird eine erste Bilanz gezogen.

Dass das Ziel, Kinder und Jugendliche für eine Sportart im Verein zu begeistern, nicht unerreichbar ist, zeigt aber auch ihr Erfolg auf anderer Ebene. Im TV Vahrendorf ist es Andrea Peters gelungen, drei Viertel von 20 Mädchen in der kritischen Altersgruppe von 13 bis 18 Jahren, die zuvor nicht Mitglied im Verein waren, für eine neue Volleyball-Jugend zu gewinnen. Sie ist überzeugt: "Man muss einfach das richtige Angebot haben."