Im Rangierbahnhof südlich von Hamburg schickt die Bahn erstmals eine 835 Meter lange Waggonreihe nach Dänemark auf die Reise.

Maschen. Ein kurzer Signalton von der Lok, dann schält sich das Ungetüm aus dem im Dunst verschwimmenden Gleis-Geäst. Rund zwei Dutzend Bahn-Funktionsträger sowie Manager von Logistikunternehmen stehen auf Europas größtem Rangierbahnhof in Maschen, um die Abfahrt dieses Güterzuges mitzuerleben. Sie haben etwas Zeit mitgebracht.

Die brauchen sie auch. Es handelt sich nämlich um den längsten Güterzug, der jemals über Deutschlands Gleise gerollt ist. Von der Lok bis zum letzten Wagen misst er 835 Meter und ist damit knapp 100 Meter länger als die längsten Güterzüge, die sonst auf dem Schienennetz unterwegs sind. "Maschen-Padborg (DK)" steht auf dem Banner, das zur Feier des Tages auf die Lokomotive gespannt wurde, die nun mit heulendem Antrieb vorbeizieht. Es folgen rund 100 Meter Autowaggons aus Wolfsburg. Dann kommen Stahlplatten aus dem Rheinland, Stückgutwagen, weitere Autowaggons des französischen Logistikkonzerns Gefco, wieder Stahlträger und zum Schluss Autowaggons aus Spanien. 210 Kilometer weiter nördlich, im dänischen Padborg wird der Zug wieder aufgetrennt und die Güter in Skandinavien verteilt.

"All das haben wir bisher in einzelnen Zügen transportiert und jetzt in einem zusammengefasst", sagt Mirko Pahl, Produktionsvorstand der DB Schenker Rail Deutschland. Insgesamt 3000 Güterzüge schickt die Logistik-Tochter täglich in Deutschland auf die Reise, aber diesen einen will Pahl sich nicht entgehen lassen. Denn in erster Linie bedeutet er für die Bahn eine Entlastung.

Das Güterverkehrsaufkommen wächst nämlich seit Jahren. Selbst in wirtschaftlich schwachen Phasen sind es nicht weniger als drei Prozent per annum. Zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung führen zu einem weiteren Anstieg des internationalen Handels. Immer mehr Waren und Güter werden über immer größere Distanzen transportiert. Die Bundesregierung prognostiziert bis 2025 einen Anstieg des Güterverkehrsaufkommens um 71 Prozent. Doch schon jetzt hinkt der Ausbau des Gleisnetzes hinterher. Und gerade im Hafenhinterland kommt es immer häufiger zu Kapazitätsengpässen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Deutsche Bahn in den Wettstreit eingetreten, wer den längsten Zug auf die Reise schickt.

Für Pahl ist aber auch noch ein anderer Grund entscheidend: Von allen anfallenden Warentransporten werden nur 17 Prozent mit der Bahn durchgeführt, aber 70 Prozent mit dem Lkw. "Im Wettbewerb mit der Straße ist es zwingend notwendig, dass wir die Produktivität im Schienengüterverkehr weiter anheben", sagt er. Und der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bremen und Niedersachsen, Ulrich Bischoping, spricht gar von einer "Maßnahme gegen die Gigaliner", die derzeit den Straßenverkehr erobern.

Um diesen Wettkampf gegen die Straße bestehen zu können, denkt Pahl sogar schon weiter: "Langfristig verfolgen wir den Anspruch, auf bestimmten Korridoren, etwa von den Seehäfen durch das Rheintal, mit bis zu 1500 Meter langen Zügen zu starten." Im kommenden Jahr werde dazu ein Forschungsprojekt gestartet.

Selbst das wäre im Vergleich zu anderen Staaten noch immer ein bescheiden langer Zug. In den USA und in Russland sind bis zu drei Kilometer lange Züge im Umlauf - gezogen von vier Lokomotiven. In diesen Ländern hat der Schienengüterverkehr aber auch einen Anteil von mehr als 40 Prozent. "In Europa sind wir mit den 835 Metern Vorreiter", so Pahl.

Das Projekt habe aber auch jahrelanger Vorbereitung bedurft. Insgesamt zehn Millionen Euro hat die Bahn in die Anpassung der Schieneninfrastruktur für die Langzüge nach Padborg gesteckt. Signale wurden versetzt, 28 Bahnübergänge angepasst, sieben sogar neu gebaut. Sollen weitere Strecken ausgebaut werden, gehen die Kosten in die Milliarden. Insgesamt 700 Seiten umfassen die Sicherheitsunterlagen, 35 Stellen im gesamten Bahnkonzern mussten sich damit einverstanden erklären, dass nach den bisher 740 Meter langen künftig auch 835 Meter lange Züge in Deutschland verkehren dürfen. Umgerechnet können aber anstatt der bisher 85 Standardcontainer künftig 100 mit einem Zug abgefahren werden.

Noch ein letzter Pfiff, dann ist der Zug weg, und die Zuschauer gehen wieder ins Partyzelt, das neben dem Schotterbett errichtet wurde. Dort gibt es warme Suppe und Kaffee. Sechsmal in der Woche soll der Zug ab dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember Richtung Dänemark fahren. Dann aber ohne die besondere Aufmerksamkeit des norddeutschen Bahnmanagements.