Der 250er von Neugraben-Fischbek nach Altona ist vielleicht nicht die schönste, aber eine der spektakulärsten Buslinien im HVV-Bereich.

Neugraben-Fischbek. Um 7.30 Uhr hat Jörg Heck einen einsamen Job. Sein Bus steht am Waldrand. Noch scheint es trotz beginnender Dämmerung mehr Nacht als Tag zu sein. Kein Mensch ist zu sehen. Wir befinden uns am Rand von Hamburg, an der Kehre im Fischbeker Heideweg. Schwer vorstellbar, dass dies der Ausgangspunkt für eine der interessantesten Stadtrundfahrten ist, die der Hamburger Verkehrsverbund zu bieten hat. Doch die Einsamkeit von Jörg Heck ist nur eine Momentaufnahme. Er ist seit mehr als zwei Stunden unterwegs und zu dieser frühen Zeit schon vielen Menschen begegnet, die sich gefreut haben, ihn zu sehen - auch wenn es den meisten schwerfällt, ihre Freude an diesem feuchtkalten Novembermorgen zu zeigen.

Jörg Heck ist seit 20 Jahren Busfahrer und an diesem Tag auf der Linie 250 eingesetzt. Der 51-Jährige arbeitet für die Süderelbe Bus GmbH, eine Tochter der Hamburger Hochbahn. Im Standlicht seines Busses ist zu erkennen, dass sich am Startpunkt der Route die ersten Fahrgäste der nächsten Tour eingefunden haben. Zu dieser Zeit sind vor allem Jugendliche unterwegs. Gina Sander ist auf dem Weg zur Arbeit. Seit drei Monaten ist sie Auszubildende bei einem Friseur am Dammtor. Sie wird begleitet von ihrem kleinen Bruder Niklas, der zur Grundschule fährt. Der 250er ist für viele Menschen, die am südwestlichen Zipfel von Hamburg leben, die wichtigste Verbindung zu den kleineren und größeren Zentren der Stadt.

Der Bus füllt sich an den ersten Haltestellen rasch. Vor acht Uhr sind hauptsächlich Schüler unterwegs. Einige haben Kopfhörer auf und sind noch in ihrer eigenen Welt. Einer doziert über Physik, und man hört etwas von Masse mal Beschleunigung im Quadrat und muss an die Aufprallenergie denken - Schulstoff, aber kein beruhigendes Thema beim Busfahren. Doch bei einem umsichtigen Fahrer wie Jörg Heck reine Theorie. Am Bahnhof Neugraben wird erstmals "durchgetauscht": Einige steigen hier auf die S-Bahn um, die schnellste Verbindung in die Hamburger City. Die Erwachsenen, die jetzt neu in den Bus kommen, sehen mehr oder minder übermüdet aus. Gina Sander verabschiedet sich von ihrem Bruder, der noch ein Stückchen weiter fährt. An der Cuxhavener, Ecke Francoper Straße leert sich der Bus merklich, als die Schüler des Gymnasiums Süderelbe aussteigen. Der 250er erreicht den Bahnhof Neuwiedenthal und durchfährt anschließend die Wohngebiete des jungen Stadtteils. Die Architektur hat sich deutlich gewandelt. Wir passieren Hochhäuser und größere Wohnanlagen. Einige Fahrgäste sehen deutlich mürrischer aus und gucken recht misstrauisch, was nicht unbedingt daran liegt, dass die Morgenmuffeldichte in Neuwiedenthal höher ist. Es wird deutlich spürbar, dass das Leben für viele hier härter ist als in den Stadtteilen auf der anderen Elbseite, die der Bus ansteuert.

Es gibt aber auch so freundliche Mitfahrerinnen wie Bettina Fellag, die zum harten Kern der 250er-Passagiere zählt. Zu jenen nämlich, die den Bus nicht nur im Nahbereich nutzen, sondern als direkte Verbindung durch den Elbtunnel. Bettina Fellag arbeitet als Menüassistentin an der Asklepios Klinik Altona. Der 250er hat eine Haltestelle nahe ihrer Wohnung und fährt sie fast direkt zum Krankenhaus. Sie nutzt die Linie an jedem Werktag. Der 250er ist ideal für sie, obwohl es eine Unwägbarkeit gibt: die Staugefahr im Elbtunnel. Doch damit kann man leben, findet sie. "Seit viereinhalb Jahren fahre ich diese Strecke und bin nur dreimal richtig zu spät gekommen. Sicherheitshalber höre ich morgens die Verkehrsnachrichten. Wenn vor dem Tunnel zwei, drei Kilometer Stau angesagt sind, wage ich es. Wenn es deutlich mehr sind, weiche ich aus und fahre mit der S-Bahn, obwohl das für mich ein Umweg ist", erzählt Fellag. Klar, es wäre einfacher, näher am Wohnort zu arbeiten. Doch sie ist sehr froh über ihren Teilzeitjob an der Klinik.

"Mit der Arbeit ist das hier nicht so günstig", sagt sie. "Wenn ich zum Beispiel im Kaufland oder in einem Supermarkt angestellt wäre, müsste ich wohl im Schichtdienst arbeiten und könnte mich nicht so gut um meinen Sohn kümmern." Für Nicole Steinwehe sieht das alles ziemlich ähnlich aus. Sie arbeitet bei der Berufsgenossenschaft in der Großen Brunnenstraße, bringt morgens die Tochter zur Schule und steigt dann in den 250er, dessen Route für sie maßgeschneidert erscheint. "Durch den direkten Weg spare ich 15 Minuten und muss nicht umsteigen", sagt sie.

Die Stadtlandschaft hat sich inzwischen wieder deutlich verändert. Der Bus ist durch das Gewerbegebiet gefahren. Hier ist der Verkehr inzwischen überschaubar. Hochbetrieb herrscht, wenn die großen Arbeitgeber Schichtwechsel haben. Wir fahren über flaches Land, nach Moorburg, vorbei an Elbmarschwiesen und großen Industrieanlagen, an Umspannwerken und Containergebirgen, in der Ferne ist der Eurokai-Terminal zu sehen. Unsere Begleiter auf der Straße sind jetzt fast ausschließlich Lkw.

Die Linie 250 ist vielleicht nicht die schönste, aber eine der abwechslungsreichsten im Bereich des HVV. Sie verbindet den Hamburger Süden auf direktem Wege mit dem Westen der Stadt. Es sind die vielen atmosphärischen Wechsel und der herbe Reiz der Wirklichkeit, die diese etwa 22 Kilometer lange Route so attraktiv machen. "Diese Linie gefällt mir", sagt Jörg Heck, der selbst aus Hausbruch kommt. "Die Strecke ist lang, man kann schön fahren, sieht viel, und die Zeit vergeht sehr schnell."

Wir haben den Punkt erreicht, an dem sich die Frage klärt, ob der Bus sich auf dieser Fahrt verspäten könnte: die Autobahn-Auffahrt Waltershof. Entwarnung. Kein Stau, der Tunnel ist frei. In der Ferne ist bereits der Hamburger Fernsehturm zu sehen. Nach der raschen Tunneldurchfahrt wieder ein vollkommen verändertes Bild. Wir fahren vom Rand Othmarschens nach Ottensen - Stadtteile, die wohlhabender sind, was sich auch am Publikum erkennen lässt, das jetzt den Bus neu gefüllt hat.

Der 250er ist plötzlich ein ziemlich normaler Innenstadtbus. Wenig später sind wir nach etwa einer Stunde Fahrtzeit am Bahnhof in Altona. Jörg Heck hat hier eine längere Pause. Sein Resümee: "Eine ganz normale Fahrt, zum Glück ohne Behinderungen im Elbtunnel. Hat Spaß gemacht."