Nur durch Investitionen bleiben die Hospitale Winsen und Buchholz konkurrenzfähig, so Klinikchef Böttcher und stellv. Landrat Böhlke.

Hamburger Abendblatt: Immer mehr Menschen sind alt - und krank. Gleichzeitig fehlen Ärzte gerade in ländlichen Regionen. Inwiefern wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen aus?

Norbert Böttcher: Wir merken das nicht so stark wie im Süden des Landkreises, weil wir von der Nähe zu Hamburg profitieren und deshalb eigentlich keinen Ärztemangel haben. Nur in der Anästhesie wird temporär mit Freiberuflern gearbeitet. Ansonsten können wir, auch wenn es etwas länger dauert als früher, alle Arztstellen besetzen. Im Landkreis fehlen aber Hausärzte.

Norbert Böhlke: Mit der Aktion "Stadt-Land-Praxis" wollen wir die Vorteile des Landkreises bewerben. Wir wollen auch Gesundheitsregion werden. Das bringt Arbeitsplätze, aber auch zusätzliche Einnahmen und Investitionen. Die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen bedeuten eine Magnetwirkung für Ärzte, die sich hier niederlassen.

Es fehlen Hausärzte, kommen dadurch mehr Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser?

Böttcher: Am Wochenende haben wir mehr Zulauf, manchmal auch am Mittwochnachmittag. Dem begegnen wir mit einer eigenen chirurgischen Praxis in unserem Medizinischen Versorgungszentrum in Buchholz sowie dem Ärztehaus am Krankenhaus Winsen. Wir arbeiten eng mit den niedergelassenen Ärzten im Landkreis zusammen, die dadurch wissen, wo sie ihre Patienten hinschicken können.

Große Krankenhauskonzerne kaufen Praxen auf und lassen sich über diese ihre Patienten liefern. Inwiefern ist das Konkurrenz für Sie?

Böttcher: Ich denke, das ist nicht so erfolgreich. Die Patienten wissen ja, dass sie von diesen Praxen immer nur in ein Krankenhaus verwiesen werden.

Diesen Weg wählen Sie nicht?

Böttcher: Wir brauchen das zurzeit nicht. Wir arbeiten nicht in Konfrontation mit den niedergelassenen Ärzten, sondern in enger Kooperation.

Böhlke: Aber das Thema müssen wir im Auge behalten. Es kann auch gefährlich für uns sein, wenn Patientenströme umgelenkt werden. Deshalb ist es ganz wichtig, dass diese Entwicklung sich nicht fortsetzt. Hier sind Hamburg und Niedersachsen gefordert. Wir haben das Thema im Landtag auf die Tagesordnung gesetzt. Dass Dependancen etwas versteckt in anderen Bundesländern eingerichtet werden, steht nach meiner Auffassung verfassungsrechtlich auf sehr wackligem Boden. Die Patienten müssen auch wissen, welche Zusammenhänge da bestehen. Da muss Transparenz geschaffen werden.

Was können Sie gegen die Abwanderung von Patienten nach Hamburg tun?

Böttcher: Kein Patient sucht ein Krankenhaus aus Lokalpatriotismus auf. Wenn eine Frau heute Brustkrebs hat, erwartet sie zu Recht, in einem zertifizierten Brustzentrum behandelt zu werden. Das haben wir in beiden Krankenhäusern. Das gleiche gilt für Darmkrebspatienten, die wir in unseren Darmzentren behandeln. Wir haben eins der modernsten Strahlentherapeutischen Zentren und einen der modernsten OP in Norddeutschland und jetzt die Zusage vom Land für die Finanzierung der gleichen Maßnahme in Winsen.

Wie sieht es mit dem geplanten Neubau in Winsen aus?

Böttcher: Wir werden dort einen Anbau errichten, den das Land mit 12,4 Millionen Euro fördert. Das Krankenhaus investiert selbst knapp fünf Millionen Euro. Der gesamte Funktionsbereich wird dort untergebracht: im Erdgeschoss die Zentrale Interdisziplinäre Notaufnahme, im ersten Stock ein Bauchzentrum mit Innerer Medizin und Allgemeinchirurgie und im zweiten Stock das Traumazentrum mit Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie.

Wann wird eröffnet?

Böttcher: Wir hoffen stark, dass wir noch in diesem Jahr den Bescheid bekommen für die ersten drei Millionen Euro. Dann beginnen wir mit dem Rohbau. Wir gehen davon aus, dass wir auch die Zusagen erhalten, um 2013/2014 das Gebäude fertigstellen zu können.

Die beiden Krankenhäuser sind ziemlich breit aufgestellt.

Böttcher: Der Landkreis Harburg ist von der Fläche her doppelt so groß wie Hamburg. Der Norden ist relativ dicht, der Süden aber dünn besiedelt. Wenn Patienten einen Schlaganfall haben, wollen sie schnell in einer zertifizierten Stroke Unit behandelt werden. Da nützt eine Super-Einrichtung in Hannover oder Hamburg nichts. Insofern ist die jetzige Entwicklung alternativlos.

Inwiefern ist es ein Nachteil, so viele verschiedene Angebote vorzuhalten?

Böttcher: Es ist ein wirtschaftlicher Nachteil, dass wir das nicht an einem Standort konzentrieren können. Denn es gibt keinen klaren Bevölkerungsschwerpunkt im Landkreis, sondern insgesamt drei: Winsen, der Seevetaler Bereich und der Bereich um Neu Wulmstorf und Buchholz.

Sie haben auch in andere Bereiche investiert, um im Wettbewerb mitzuhalten. So ist ja in Buchholz eine Station entstanden, auf der die Patienten es ein bisschen luxuriöser haben.

Böttcher: Die Station ist nicht luxuriöser, sondern eine Wahlleistungsstation. Wir haben ja in der Bevölkerung auch Privatversicherte und Menschen, die gern in einem Zweibettzimmer unterkommen möchten. Denen müssen wir ein entsprechendes Angebot machen, um attraktiv zu bleiben.

In welchen anderen Bereichen werben Sie um Patienten?

Böttcher: Wir merken, dass die Bevölkerung älter wird. Deshalb planen wir mit Mitteln des Landkreises einen Anbau in Buchholz. Da soll unter anderem die geriatrische Station deutlich vergrößert werden. Die Plätze reichen nicht aus, sie sollen verdoppelt werden auf zwölf bis eventuell später auf 20 Plätze. Auch die internistisch-neurologische Aufnahme wird vergrößert, die ist dem Patientenansturm nicht mehr gewachsen.

Böhlke: Aufgrund der demografischen Entwicklung ist das eine Herausforderung und da müssen wir rechtzeitig aufgestellt sein. Auch was die fachliche Betreuung angeht durch entsprechende Ärzte im Haus. Das gilt genauso für das Thema Darmkrebs. Die Hamburger werben da sehr aktiv - wir haben das Angebot hier schon.

Böttcher: Wir müssen uns ständig an die Bedürfnisse des Landkreises anpassen und versuchen, dass es eben nicht dahin geht, den am besten abrechenbaren Patienten zu behandeln. Alles, was wir anbieten können, bieten wir an. Und wir halten auf jeden Fall an beiden Standorten fest. Wir erhalten ja Förderung durch den Landkreis, damit wir diese Aufgabe erfüllen können - und die Häuser nicht nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten führen. Das ist der Vorteil der Krankenhäuser, die keinem Konzern, sondern im Grunde dem Landkreis gehören.

Die finanziellen Mittel des Landkreises sind begrenzt. Wo stoßen Sie an Ihre Grenzen?

Böttcher: Die Krankenhausleistungen werden länderweise unterschiedlich vergütet. Niedersachsen ist mit Schleswig-Holstein und Thüringen das Schlusslicht. Wir kriegen pro Fall etwa 100 Euro weniger als der Durchschnitt. Würden wir unsere Leistungen in Hamburg abrechnen, nähmen wir im Jahr etwa 2,6 Millionen Euro mehr ein.

Böhlke: Es zeigt sich sehr deutlich, dass wir da etwas tun müssen. Sonst kämpfen wir gegen Windmühlen.

Wie wichtig ist das Image eines Krankenhauses?

Böttcher: Die Öffentlichkeitsarbeit kann die Arbeit der Ärzte und Pflegekräfte nur unterstützen. Wir müssen die Bevölkerung über unsere Arbeit informieren. Viele denken immer noch: Was kann in einem ehemaligen Kreiskrankenhaus schon gemacht werden? Wir sind eigentlich ganz zufrieden, wie wir platziert sind. Aber natürlich entwickeln wir ständig alles weiter.