Gefragter Kulturtreff südlich der Elbe: 90 Künstler durften in den vergangenen Jahren auf 140 Quadratmetern ihre Werke am Tempowerk präsentieren.

Harburg. Eine dunkelhaarige Schöne im weißen Kleid rekelt sich lasziv auf einem Sofa. Während sie einen Strumpf schon fast ausgezogen hat, steht der andere Fuß im Schoß eines Mannes in dunklem Anzug. Der aber hat sich, die Arme verschränkt, demonstrativ abgewendet. Das großformatige Gemälde des Hamburgers Wolf-Henry Gentsch steht geradezu symbolhaft für das Motto des aktuellen Ausstellungszyklus im Hauptgebäude des hit-Technoparks "Kunst verbindet ... und schafft Beziehungen". Auch wenn die Kunst des Entblätterns in der gemalten Szene anscheinend nicht verfängt - dass die Figuren in Beziehung zueinander stehen, ist unstrittig.

Die allen Menschen und Dingen eigenen Beziehungsgeflechte greift die neue Gemeinschaftsausstellung auf vielfältige Weise auf. Bildhauer Thomas Werner mit seinen wuchtigen Skulpturen aus Granit und Stahl ebenso, wie Margot Berghaus mit Foto-Montagen, in denen Mensch und Tier auf surreale Weise miteinander verschmelzen - und so zur Projektionsfläche für unsere Sehnsüchte und Träume werden. Das Konzept funktioniert aber schon allein durch die Präsentation der Kunstwerke in einem Gebäude, in dem vor allem innovative, zukunftsträchtige Technologien entwickelt werden.

"Die moderne Architektur der Zentrale des hit-Technoparks hat förmlich danach geschrien, hier auch Kunst zu präsentieren", sagt Kuratorin Renate Selinger-Barber, die seit 1998 für das Kulturmanagement am Heimfelder Tempowerkring verantwortlich zeichnet. 90 Künstler haben seitdem auf 140 Quadratmetern im ersten und zweiten Stock der Technopark-Zentrale ihre Werke gezeigt. "Mit ihrer Kreativität haben sie unseren Standort individuell bereichert. Mit ihrer Sicht auf verschiedene gesellschaftliche Themen haben sie Türen und Zugänge geöffnet, die es so sonst nicht gegeben hätte", so Wolfram Birkel, der gemeinsam mit Sohn Christoph den hit-Technopark leitet.

Für die einstigen Nudelkönige ist die Kulturförderung längst ein wesentlicher Teil ihrer Unternehmenskultur geworden. Weil sie als gewachsener Prozess nachhaltig wirke - nach Innen wie nach Außen. "Die Kulturförderung hat die Identifikation mit unserem Unternehmen gestärkt. Nicht nur im Hinblick auf unsere Mitarbeiter, auch auf den Standort insgesamt", sagt Juniorchef Christoph Birkel. Das lässt sich jeden Tag in der Technopark-Zentrale beobachten. Wenn sich Kollegen dort - vornehmlich in der Mittagspause - ganz bewusst die Zeit nehmen, um nach dem Essen durch die Ausstellung zu gehen. Oder sich ganze Schulklassen, Frauenvereine und andere Besuchergruppen vor den Bildern und Skulpturen drängen. Um still zu betrachten, oft aber auch angeregt zu diskutieren.

So hat sich der hit-Technopark in den vergangenen Jahren als gefragter Kulturtreff südlich der Elbe etabliert. "Mussten die Künstler früher überzeugt werden, dass der Technopark durchaus ein Ort für Kunst sein kann, so stehen heute auf der Warteliste mehr als 200 Namen von Kulturschaffenden, die hier unbedingt ausstellen wollen", berichtet Renate Selinger-Barber. Weil inzwischen auch namhafte Galeristen und Sammler den Weg an den Tempowerkring finden, um hier nach herausragenden Werken Ausschau zu halten, die so nicht überall zu finden sind.

Zu den namhaftesten Ausstellern zählten in der Vergangenheit unter anderen der Maler Andreas Ole Ohlendorff, 2009 Kulturpreisträger des Landkreises Harburg, der dänische Maler und Fotograf Ole Hansen, die Malerin Monika Pfeiffer, die Bildhauerin Heidrun Kohnert, aber auch der malende Ex-Fußballer Rudi Kargus.

Bei der jüngsten Vernissage zum neuen Ausstellungszyklus betonte Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, dass er Kunst und Kultur eindeutig zu den harten Standortfaktor zähle: "Und der hit-Technopark stärkt diesen Faktor auf hervorragende Weise." Das wird nördlich der Elbe ebenso beurteilt. Gestern nahmen die Birkels aus den Händen von Kultursenatorin Barbara Kisseler den Merkur der Kulturstiftung und der Handelskammer entgegen. Der Preis gilt als wertvollste Hamburger Auszeichnung für Unternehmen, die sich über Jahre nachhaltig und in nachahmenswerter Weise für Kunst und Kultur engagieren.