Die Berliner Autorin Elfriede Brüning, 102, kam zu einer Lesung nach Lüneburg

Lüneburg. Nicht jeder kann von sich behaupten, fünf politische Systeme miterlebt zu haben. Elfriede Brüning schon: Das Kaiserreich. Die Weimarer Republik. Den Nationalsozialismus. Die DDR. Und jetzt die Bundesrepublik. In vier dieser Staaten hat sie als Autorin und Journalistin gearbeitet. Nun hat Brüning in Lüneburg im Ostpreußischen Landesmuseum aus ihrem Debütroman "Auf schmalem Land" gelesen. Der ist 1938 erschienen. Die Autorin ist mittlerweile 102.

"Ich habe bereits mit 17 angefangen zu schreiben", sagt Elfriede Brüning. Nach der Mittleren Reife habe sie eine Lehre in einem Pressebüro begonnen. "Dort lernte ich am ersten Tag das Tippen mit drei Fingern auf der Schreibmaschine." Eigentlich bestand ihre Aufgabe aber darin, Zeitungen zu sortieren. Auf der letzten Seite der 12-Uhr-Zeitung entdeckte sie die Ankündigung für eine Schönheitskonkurrenz und beschloss, darüber zu schreiben. "Ich habe daran teilgenommen und den Bericht dann an die 12-Uhr-Zeitung geschickt." So habe sie ihre erste Anstellung bei einer Zeitung bekommen.

Das Buch "Auf schmalem Land" war eher ein Zufallsprodukt. Eigentlich sollte Brüning, damals 24 Jahre alt, einen mehrteiligen Artikel über eine Segelfliegerschule an der Kurischen Nehrung schreiben. "Für den Artikel nahm ich am Lagerleben teil. So erkannte ich, dass die jungen Männer nicht nur Segelfliegen lernten, sondern sich auch auf den bevorstehenden Krieg vorbereiteten." Den Auftrag habe sie darum abgelehnt, stattdessen mehrere Monate in der Region verbracht und ihren Roman geschrieben. 2009 wurde "Auf schmalem Land" wieder aufgelegt. "Ich habe mit dem Chef des Verlages gesprochen, und er war sofort von der Idee begeistert", erklärt die Autorin.

Nicht immer konnte sie die Menschen so leicht von ihrer Arbeit überzeugen wie in diesem letzten Fall. "Eine arbeitende Frau, die ihren Beruf auch noch ernst nahm, wurde früher nicht gern gesehen", erinnert Elfriede Brüning. Unabhängigkeit ist ihr bis heute wichtig. Erst vor zwei Jahren gab sie den Führerschein ab. "Weil meine Nachbarn mich angeschwärzt hatten. Sie meinten, ich könnte nicht mehr ordentlich parken", sagt die 102-Jährige. Die letzte Autofahrt gibt es als Video auf ihrer Homepage zu sehen.

Doch nicht nur mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit eckte sie an: Wegen ihrer Verbindungen zur Kommunistischen Partei wurde sie 1935 in Schutzhaft genommen. Erst zwei Jahre später wurde Anklage erhoben, die junge Frau vom Verdacht des Hochverrats freigesprochen. "Das lag daran, dass ich bereits vor meiner Verhaftung zum Schein einen Liebesroman geschrieben hatte. In der Haft schrieb ich noch einen", sagt Elfriede Brüning.

Später, in der DDR, sei sie zwar nicht mehr ob ihrer Gesinnung verdächtig gewesen, doch die Kritik habe ihre Romane verrissen. "Ich schrieb angeblich kleinbürgerlich, nicht über die großen, wichtigen Sachen. Dabei habe ich einfach nur das Zwischenmenschliche beleuchtet", sagt sie, die noch immer allein in der eigenen Wohnung in Berlin lebt. Trotz Papierknappheit und Kritikerverrissen: Ihre Werke hatten in der DDR eine hohe Auflage.