Eltern im Landkreis Harburg drängen auf Oberschulen mit gymnasialem Zweig. Auch Lehrer verschmähen die herkömmliche Hauptschule.

Rosengarten/Neu Wulmstorf/Winsen . Abi soll es sein. So wollen es die meisten Eltern. Die Hochschulreife ist das Maß aller Dinge geworden. Damit das Kind die Schule mit dem Abitur verlässt, lechzen die Mütter und Väter nach neuen Schulformen. Sie wollen Integrierte Gesamtschulen. Sie wollen Oberschulen, die aber bitteschön mit gymnasialem Zweig.

Das hat sich inzwischen im Landkreis Harburg deutlich auf die Schullandschaft ausgewirkt. Es brauchte nur wenige Jahre bis zwei Integrierte Gesamtschulen in Winsen und Buchholz entstanden sind und die dritte IGS im Landkreis Harburg - in Hittfeld - auf den Weg gebracht wurde. Die Umwälzung ist noch längst nicht abgeschlossen.

Jetzt beschäftigt sich auch die Gemeinde Neu Wulmstorf mit ihrer zukünftigen Schulstruktur. Und es ist schon keine Überraschung mehr, dass die Schlagworte Integrierte Gesamtschule und Oberschule die für Montag, 12. November, angesetzte Informationsveranstaltung bestimmen. Ob in Neu Wulmstorf eine vierte IGS entsteht, ist allerdings mehr als fraglich. Eine solche Schule müsste für zehn Jahre mehr als fünf Klassen füllen können. "Das ist hochgradig unwahrscheinlich", sagt Klaus Priewe, Fachbereichsleiter Soziales.

Im Gegensatz zur Einrichtung einer Oberschule. Die wird es voraussichtlich auch bald in Neu Wulmstorf geben. Bereits im Frühjahr hat der Neu Wulmstorfer Schulausschuss die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule wegen der stark sinkenden Schülerzahlen an der Hauptschule in Neu Wulmstorf erörtert. Derzeit besuchen lediglich 26 Schüler die fünfte Klasse. Nicht nur die Eltern, auch die Lehrer verschmähen die Schulform. "Keiner will mehr an der Hauptschule unterrichten", sagt Priewe.

Das gilt für den gesamten Landkreis. Die Hauptschulen tragen schon längst den Stempel des Auslaufmodells. Bis 2010 gab es im Landkreis noch 14 Hauptschulen, davon sind nur noch drei übrig geblieben. Doch selbst neu gegründeten Oberschulen kann schnell das Aus drohen. Besonders die, die keinen gymnasialen Zweig haben, stehen vor Problemen.

Da ist beispielsweise die Oberschule Rosengarten, die erst vor drei Jahren gebaut wurde und jetzt um ihren Erhalt kämpfen muss. Immer mehr Schüler gingen lieber zur IGS in Buchholz. Wurden 2010 noch sieben Kinder aus der Gemeinde Rosengarten an der IGS Buchholz angemeldet, waren es 2012 schon 26. Das führte dazu, dass derzeit lediglich 29 Kinder die fünfte Klasse an der Oberschule Rosengarten besuchen.

Zwei Rettungsversuche hatte die Schule unternommen, scheiterte aber. Erst sollte die Einrichtung eine IGS werden, doch der Kreistag entschied sich für Hittfeld als IGS-Standort. Dann sollte wenigstens ein gymnasialer Zweig eingerichtet werden, um den Erhalt der Schule zu sichern. Aber die Landesschulbehörde verhinderte, dass die Schule die jüngsten IGS-Befragungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Einrichtung eines gymnasialen Zweiges heranziehen kann. Eine neue Umfrage müsse durchgeführt werden, argumentierte die Landesschulbehörde, glaubt aber nicht an einen Erfolg. Für einen gymnasialen Zweig bräuchte die Schule mindestens 75 Anmeldungen.

Dennoch wollen die Eltern aus Rosengarten weiterkämpfen - auch, wenn die Nachricht aus Hannover vielen die Lust auf großes Engagement gründlich verdorben hat. Stefan Rüttinger baut jetzt auf Plan B: "Wir haben uns bereits dazu entschlossen, auch noch die fünfte Elternbefragung durchzuführen." Kurzfristig veranstaltet die Initiative nun Informationsveranstaltungen, damit die Befragung noch im Dezember starten kann. Außerdem ist ein runder Tisch mit Vertretern von Gemeinde, Eltern und Schulen geplant. "Gemeinsam wollen wir dann ein Maßnahmenpaket abstimmen", sagt Rüttinger. Er ist sicher: Genügend Bedarf ist da. Die Nenndorfer wollen eine wohnortnahe Beschulung und weiterführende Systeme. Einen gymnasialen Zweig an einer Oberschule hält er für existenziell wichtig: "Heute wollen alle das Abi, und die Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder - und mittlerweile bekommen ja auch 60 Prozent aller Schüler eine Empfehlung fürs Gymnasium. Und selbst die, die keine haben, werden auf die höhere Schule geschickt."

Der Schulausschuss des Landkreises beschäftigt sich am Montag, 19. November, mit der Oberschule Rosengarten und auch mit der Oberschule Hanstedt. Denn auch an der Oberschule Hanstedt soll eine Gymnasialklasse eingerichtet werden. Aber anders als die Oberschule Rosengarten blickt die Oberschule Hanstedt offenbar nicht in eine ungewisse Zukunft. Die Schulleiterin Susanne Graßhoff ist sich sicher, die nötigen 75 Anmeldungen zusammenzubekommen. "Das ist durchaus machbar", sagt sie und hofft, damit den Abfluss der Schüler nach Jesteburg stoppen zu können. Weil es dort schon den gymnasialen Zweig gibt, nehmen viele Eltern aus Hanstedt lieber den 15 Kilometer längeren Fahrtweg in Kauf und melden ihren Nachwuchs dort an, anstatt ihn zur Oberschule Hanstedt zu schicken. Alles nur wegen des Abis. Dieser Gymnasialhype hat die Oberschule Jesteburg regelrecht überrannt. Vor einem Jahr hatten sich 92 Eltern für eine Oberschule mit gymnasialem Zweig ausgesprochen. Angemeldet wurden aber weitaus mehr: 171 Kinder werden jetzt an der Schule unterrichtet. Der Musikraum muss als Unterrichtsraum genutzt werden. Im nächsten Jahr kommen Container auf das Grundstück, um die Kinder unterbringen zu können.