30 Meter lang, 600 PS stark - Eisbrecher “Primus“ verlangt den Eignern Ilona und Dirk Maiwald ihr ganzes handwerkliches Können ab.

Stöckte. "Vorsicht, ist frisch gestrichen!", warnt Ilona Maiwald. Sie sitzt auf einem Holzstuhl, beißt von ihrem Sandwich ab und genießt die Sonne. Es ist Mittagspause. In der Luft liegt der Geruch von frischer Farbe. Gerade eben packte sie den Pinsel beiseite, mit dem sie die Reling hellblau streicht, um kurz zu verschnaufen. Die 50-Jährige ist in einen knallroten Maleranzug eingepackt, der schon aus der Ferne ziemlich auffällt. Zusammen mit ihrem Mann, Dirk Maiwald, 46, ist sie fast täglich an Deck. Rostige Stellen mit dem Hammer abklopfen, abschleifen und versiegeln ist nur eine Aufgabe, die der Stahlkoloss dem Ehepaar abverlangt. So ein Schiff ist arbeitsintensiv. Und zieht die Blicke auf sich.

Vielleicht mögen es vorbeifahrende Autofahrer auf der Hoopter Straße schon bemerkt haben. Zu übersehen ist es nämlich nicht. Ein neuer Dampfer hat im Stöckter Hafen festgemacht. Seit dem 24. August liegt er dort. Sein Name: "Primus". Seine Daten: 30 Meter lang, 7,50 Meter breit und 600 PS stark. Ein echter Gigant. Neben ihm wirken die restlichen Boote im verschlafenen Binnenhafen wie zerbrechliche Kinderspielzeuge.

Eine Besonderheit verbirgt sich in seinem Inneren: Die sogenannte Unwuchtanlage. Um effektiv das Eis zu brechen, werden zwei große Scheiben in Schwingung versetzt. Die Scheiben sind an einem Ende schwerer als am anderen. Wenn die Anlage in Gang gesetzt wird, bewegt sich der Bug auf und ab. Das Schiff setzt auf dem Eis auf und zerschlägt es.

Die Geschichte der "Primus" begann in den 1960er-Jahren. Damals brauchte die Hamburger Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein Schiff. Den Bauauftrag erhielt die Papenburger Sürken-Werft. 1968 lief der Kahn unter dem Namen "Hetling" vom Stapel. Die Verwaltung stationierte ihn anfangs in Wedel, um Schuten zu schleppen, die, selber antriebslos, mit Schrot, Schlick oder Kohle beladen werden. Als Eisbrecher wurde das Schiff aber schon 1986/87 genutzt, als große Eisbrocken die Elbe verstopften und eine Flut drohte. Vor ein paar Jahren kam der Kahn dann nach Lauenburg. Das letzte Mal im Einsatz war die "Primus" im Winter 2011.

Nun steht das Schiff nicht mehr im Staatsdienst. Dirk Maiwald ersteigerte es am 1. August dieses Jahres für 80 000 Euro. "Ich erfuhr von dem Angebot auf der Internetseite der Verwertungsgesellschaft des Bundes, vebeg.de", sagt Maiwald. Dort bietet der Bund von Autos über Handtaschen bis hin zu Paket-Sortierbandanlagen alles an, was er abtreten möchte. Hat man sich einmal registrieren lassen, lässt sich ganz im Stile von Ebay beim Wunschobjekt mitbieten. Was aber ist der Beweggrund einer Privatperson, sich einen Eisbrecher zuzulegen? "Von dem Geld hätten sich andere Leute einen schicken Sportwagen gekauft", merkt er ironisch an. So viel Geld investiere er aber nicht spaßeshalber. Im Kopf hat er klare, geschäftliche Interessen. Denn Maiwald besitzt schon das Tankmotorschiff "Cascade" und beschäftigt fünf Angestellte.

Der Heimathafen der "Cascade" ist Hamburg. Und dort friert das Wasser im Winter öfter zu. Wollen die Kapitäne auslaufen, um einem Transportauftrag nachzugehen, sind sie häufig auf fremde Schlepperhilfe angewiesen. Letztes Jahr aber passierte es: Die "Cascade" fuhr auf einen Schlepper auf. Bis heute ist die Schuldfrage ungeklärt. Aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens weigert sich die Firma jedoch, Maiwalds Schiff zu schleppen. Und das war ausschlaggebend für den Kauf der "Primus". "Um unabhängig von anderen Schleppfähren zu sein, haben wir uns eben selber eine gekauft", sagt Maiwald. Allerdings wird er in Zukunft auch Fremdaufträge annehmen. Mit dem Schiff solle in Zukunft "auch Geld verdient werden".

Ein paar Anfragen für den Winter und normale Transporte gebe es auch schon. Zudem stünde bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Hamburg demnächst eine Reform ins Haus. Was Maiwald zusätzliche Aufträge bescheren könnte. So würde das Schiff am Ende wieder für seinen Erbauer fahren.