Der Vorstand lässt die vereinbarte Räumungsfrist verstreichen. Die Stadt Stade besteht auf eine besenreine Übergabe der Halle.

Stade. Seit gestern ist die Frist zur Räumung des Stader Technik- und Verkehrsmuseums abgelaufen. In der Cafeteria sitzt ein Dutzend Männer und Frauen mit müden Gesichtern. Sie haben in der Nacht zum 1. November die Stellung gehalten - aus Sorge, die Stadt Stade lasse per Gerichtsvollzieher das Ende "ihres" Museums besiegeln. Im Büro tagt der Vorstand mit dem Anwalt Oliver Wehrs, um doch noch eine rettende Lösung zu finden. Zunächst habe er eine Vollstreckungsabwehrklage beim Landgericht Stade zur "einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung" eingereicht und beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, so Wehrs.

Stades Erster Stadtrat Dirk Kraska verweist auf die Rechtslage: "Wir bestehen auf den Titel aus dem gerichtlichen Vergleich, bei dem sich Museumsvorstand und Stadtverwaltung Anfang dieses Jahres darauf geeinigt haben, bis zum 31. Oktober 2012 die Halle besenrein an die Stadt zu übergeben. Wir haben nun einen Gerichtsvollzieher beauftragt."

Der Vergleich wurde geschlossen, nachdem bereits die Räumungsfrist zum 31. Dezember 2011 verstrichen war, weil der Museumsverein kein Ausweichgebäude für seine etwa 10.000 Exponate hatte finden können. Die Stadt hatte dem Verein seit 1983 die alte Eisen-Edler-Halle kostenlos zur Verfügung gestellt, aber als Eigentümerin der Halle und des gesamten umgebenden Areals an der Freiburger Straße neue Pläne. Das einst gute Verhältnis zwischen Hansestadt und Museumsverein wandelte sich zu einem schwelenden Streit, seit der damalige Bürgermeister Andreas Rieckhof 2009 Pläne vorlegte, das etwa 35.000 Quadratmeter große Areal für rund zwei Millionen Euro zu vermarkten.

"Für einen Möbel-Abholmarkt samt Großparkplatz sollen wir nun weichen, wir könnten doch ebenso gut am Rande des Parkplatzes bleiben", sagt Walter Müller, Vorsitzender des Museumsvereins. Und sein Stellvertreter Edmund Hänel sagt, was die Vereinsmitglieder auf Zinne bringt: "Wir haben in 29 Jahren ehrenamtlicher Arbeit die Sammlung zusammengetragen, als ein Stück Kulturgut aus der Region. Das kann die Stadt nicht auseinanderreißen, verscherbeln oder verschrotten."

Doch Kraska argumentiert, dass seit 2010, als der Nutzungsvertrag mit dem Museum gekündigt wurde, genug Zeit war, ein neues Domizil zu suchen. Zudem habe die Stadt dafür die nahe gelegene Mülltonnenhalle des Bauhofes und die Festung Grauerort angeboten.

Museumskurator und ehemaliger Stader Ratsherr Dieter Theodor Bohlmann bezeichnet die Mülltonnenhalle als zu klein. Sie liege zudem dort, wo nach städtischen Planungen in einigen Jahren Abriss drohe, wenn neue Straßen zur A 26 gebaut werden. Grauerort scheide schon wegen zu geringer Bauhöhen der denkmalgeschützten Gewölbe aus. "Wir haben tonnenschwere Exponate, die teilweise fest in der Museumshalle eingebaut sind, das können wir nicht eben mal in eine andere Halle tragen", erklärt Bohlmann. Man müsse vieles zerstören und das Museum auf ein Fünftel verkleinern. Ein Umzug würde inklusive Renovierung der maroden Mülltonnenhalle rund 500 000 Euro verschlingen, rechnet Bohlmann vor. "Und die seit 2002 von der Hansestadt investierten 120 000 Euro für Brandschutz und Sicherheitsmaßnahmen wären auch verschleudert."

Die Museumsbetreiber wollen sich von der Stadt nicht Untätigkeit vorhalten lassen. "Wir haben uns 17 Liegenschaften angeschaut, sie waren zu klein, marode oder ungeeignet", sagt Bohlmann. "Ich bin auch menschlich enttäuscht von Verwaltung und Ratskollegen, weil alle Lösungsversuche des Museumsvereins abgelehnt wurden." Das Museum bringe Stade auch viel Gutes. "Alljährlich zählen wir rund 18 000 Besucher, wir haben Schulprojekte und Lehrvorführungen für ganze Familien, und wir erhalten für die Allgemeinheit ein Stück Geschichte", sagt Vereinssprecherin Gabi Siener.

Wirklich angetan äußerte sich Familie Hund aus Wolfenbüttel nach ihrem Museumsbesuch. "Hier gibt es im Kleinen so viele Details", sagt der 14-jährige Johannes Hund. Und seine Mutter Renate ergänzt: "Es wäre sehr schade, wenn wir tatsächlich hier die letzten Besucher wären."