30 junge Künstler zeigen in der Ausstellung “LAmerika - China is“ vieldeutige Werke. Auch ein Schwarm aufblasbarer Fische als Kunstprojekt.

Harburg. Die aufblasbaren Delfine, Orcas und Clownfische in Gestalt des Kino-Helden Nemo haben eindeutig ihr eigentliches Fahrwasser verlassen. Aufgetürmt zu einem Schwarm, konfrontiert das Schweizer Künstler-Duo "Géraldine et Tizian" das Publikum auf dem Trockenen mit dem niedlichen Schwimmspielzeug aus Plastik. Die Installationskünstler Géraldine Honauer und Tizian Baldinger sind bekannt dafür, Gegenstände des täglichen Lebens in einen neuen Kontext zu stellen. Nun also billige Imitationen von Flipper und Nemo als Kunstobjekt.

Im Juli noch ließen die Künstler einen aufblasbaren Plastikhai in einem Käfig mit Hilfe eines Krans durch den Himmel über St. Pauli fliegen - ihr Beitrag zu einer Ausstellung, die sich mit dem Leid gequälter Tiere beschäftigt hat. War die Botschaft ihrer Performance damals klar, bleibt die Aussage ihres Plastikfisch-Haufens, der noch bis zum 18. November in einer Sammelausstellung in den Phoenixhallen in Harburg zu sehen ist, indifferent.

Künstler lieben es meist, ihre Ideen nicht zu erklären. Und so beinhaltet auch der Titel der Sammelausstellung "LAmerika - China is" nur scheinbar ein Oberthema. Tatsächlich wirft der kryptische Scheinsatz mehr Fragen als Antworten auf. Wird hier der Pop-Begriff angesprochen? Oder ein gesellschaftlicher Diskurs? Geht es um Wirtschaft? Oder die Auseinandersetzung zweier Weltmächte und die Verschiebung der globalen Machtbalance?

Lennart Münchenhagen aus Hamburg hat die Ausstellung initiiert. Dem 28 Jahre alten Studenten an der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK) ist es gelungen, die Arbeiten von etwa 30 jungen Künstlern aus Hamburg, Berlin, aber auch aus Kolumbien, Südkorea, der Schweiz und den USA nach Harburg zu holen.

Der junge Künstler und Kurator, der zwei Jahre in Harburg gelebt hat, hatte im Jahr 2008 in einer alten Druckerei am Kleinen Schippsee die Ausstellung "LAmerika" initiiert. Nun erweitert er den Blickwinkel und bringt die Supermacht China ins Spiel. Unter dem Statement "LAmerika - China is" versammelt er mehr als 30 Positionen zeitgenössischer junger Künstler.

Das Neuausloten gewohnter Positionen eine die Ausstellungsstücke, mehr gibt Münchenhagen nicht preis. Es bleibt den Betrachter überlassen, diese Positionen auszumachen. Und so darf jeder munter spekulieren. Wollen "Géraldine et Tizian" mit den im White Cube so überraschenden aufblasbaren Meeressäugern ein Mahnmal errichten und auf den riesigen Strudel von Plastikmüll in den Weltmeeren hinweisen? Oder wollen sie nur überraschen, dem Publikum ein Schmunzeln abgewinnen? Das dürfte ihnen gelingen.

Türme aus Autofelgen, die alle Gesetze der Schwerkraft aufzuheben scheinen, hat Anik Lazar, ebenfalls von der HfbK, geschaffen. Mahnmale für eine sterbende Autoindustrie in den USA? Schrott als Zivilisationskritik? Oder der Versuch, aus Industriemüll eine neue Ästhetik zu schaffen?

Lennart Münchenhagen hat viele Freunde und Bekannte in der Ausstellung versammelt. Patrick Fazar etwa, der seine Bildsprache aus Comics, Werbung und Lifestylemagazinen entwickelt hat. Oft verändert er vorgefundene Bilder minimal mit großer Wirkung. In den Phoenixhallen zeigt er eine Art Recycling-Kunst: Mit wenigen Zutaten schafft er aus alten Schutzhelmen eine freundliche Schneemann-Skulptur.

Der Kurator ermöglicht nicht nur den Blick auf Positionen junger zeitgenössischer Künstler. Mit dem Zutritt in das Bilderlager der renommierten Falckenberg-Sammlung in den Phoenixhallen hat der Besucher die seltene Gelegenheit, die Architektur der sonst verschlossenen, alten Industriestätte in Augenschein zu nehmen. "Zutritt zur Ausstellung auf eigenen Gefahr" heißt es auf einem Schild. Das gibt dem Besuch den Hauch des Verwegenen. An einigen Stellen kommt hinter den weiß verputzen Wände das grobe Konstruktionsgerüst des hundert Jahre alten Backsteinbaus zum Vorschein.

Und mit dem "Hard Art Club", einem Black Cube mit spärlichen, neonfarbenen Markierungen, bietet die Ausstellung Harburgs coolsten Partyraum. Das macht Lust auf eine Finissage!

"LAmerika - China is", Phoenixhallen, Wilstorfer Straße 71, Tor 2, in Harburg, Öffnungszeiten: mittwochs und donnerstags 15 bis 18 Uhr, Eintritt frei.