Die Harburger Firma SeaTerra entwickelt ein neues Verfahren für die Kampfmittelsondierung. Test auf Kasernengelände.

Harburg. Munition und Waffen oder auch Blindgänger abgeworfener Bomben könnten im Boden stecken. Eine erschreckende Vorstellung, wenn man daran denkt, dass auf dem gut 55 Hektar großen Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne an der Cuxhavener Straße in Neugraben-Fischbek schon bald Häuser mit bis zu 774 Wohneinheiten für mehr als 2500 Menschen gebaut werden sollen.

Um künftigen Bewohnern Sicherheit zu garantieren, soll das gesamte Gelände mehrere Meter tief nach militärischen Überresten der Kriegszeit abgesucht werden. Die Hamburger Finanzbehörde mit ihrem Grundstücksmanagement ist Eigentümerin des noch bis 2004 von der Bundeswehr genutzten Geländes. Für die Kampfmittelsondierung schließt sie - wie berichtet - nicht aus, notfalls alle 2100 auf dem Gelände verbliebenen Bäume abholzen zu lassen. Gegen die im Sommer angekündigte Abholzaktion gab es riesigen Protest von Bewohnern der Region und von Politikern.

Nun gibt es aber Hoffnung, dass die meisten Bäume doch stehen bleiben können, denn eine in Harburg ansässige und weltweit tätige Firma hat eine neue Sondierungsmethode entwickelt, die jetzt auch auf dem Kasernengelände erprobt wird. Die Firma heißt SeaTerra GmbH, hat ihren Sitz im Harburger Binnenhafen, am Lotsestieg 6, befasst sich mit Geophysik und Kampfmittel-Dienstleistungen und untersucht unter anderem auch militärisch genutzte Flächen in den USA und Kanada. "Wir haben sieben Testfelder der Größe 20 mal 20 Meter auf dem Kasernengelände eingerichtet und mit unseren Messgeräten untersucht", sagt Geophysiker Edgar Schwab, der seine Firma SeaTerra vor 14 Jahren gründete. Der gebürtige Badener aus der Nähe von Freiburg ist 46 Jahre alt.

Vier Jahre lang arbeitete er nach dem Studium als Angestellter in der Kampfmittelsondierung, bevor er sich selbstständig machte. Von Anfang an betrieb er zusammen mit internationalen Partnern Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Bodensondierung zu Wasser und zu Land. Unter anderem suchte seine Firma für die Verlegung der Russland-Gas/Ostsee-Pipeline den Meeresgrund vor der Deutschen Küste erfolgreich nach Kampfmitteln ab und ist auch rund um den Bau von Nordsee-Windparks im Wattenmeer im Einsatz.

Für die Testsondierung auf dem Gelände der Röttiger-Kaserne ist laut Schwab das allerneueste Dreiachs-Messsystem zum Einsatz gekommen. Es trägt die Bezeichnung "Triax-Flux-Elektromagnetic", kurz TFEM. Mit einer Sendespule wird seinen Worten nach ein "gepulstes Feld" erzeugt. Das kann die Erdoberfläche bis sechs Meter Tiefe durchdringen. Die elektrische Leitfähigkeit von im Boden steckenden metallischen Gegenständen lässt sich von Empfangssensoren feststellen, die auf die elektromagnetischen Wellen der Sendespule reagieren. Größe und Art der Gegenstände und die Tiefe, in der sie sich befinden, lassen sich anhand von Messdaten berechnen.

Die Messungen sind laut Schwab sehr genau. Vor allem lasse sich per GPS-Navigation auch der Ort gefundener Gegenstände präzise bestimmen. Dort könne dann gezielt gegraben werden. Und er sagt: "Für die meisten Messungen ist es nicht notwendig, Bäume abzuholzen. Es sei denn, es werden Kampfmittel unterhalb der Bäume lokalisiert.".

Nun werden die Ergebnisse der Probemessungen auf dem Gelände der Röttiger-Kaserne abgewartet. "Wir befinden uns in der Endauswertung der Daten", sagt Schwab. Von der Finanzbehörde, der Auftraggeberin der Probemessungen, erhofft sich die Firma nach Abschluss des Tests den Auftrag für die Sondierung des gesamten Geländes.

Im Gegensatz zu bisherigen Messmethoden, für die im Meterabstand tiefe Löcher für elektromagnetische Sondierung in die Erde gebohrt werden mussten, kommt das neue Verfahren ohne Erdbohrungen aus. Die Sende- und Empfängertechnik wird auf Rädern über den Erdboden geschoben und schafft 1000 Quadratmeter pro Tag. "Das Ganze ist zehnmal schneller und zehnmal billiger als das Bohrverfahren", sagt Schwab. Kosten pro Quadratmeter etwa 2,50 Euro. Zeit- und Kosteneinsparung dürfte im Interesse der Finanzbehörde liegen.

SeaTerra arbeitet auch häufig im Auftrag der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), um vor Baggerarbeiten im Hafen, an Land und unter Wasser, auf Suche nach Kampfmitteln zu gehen. Und auch vor der eigenen Haustür, im Lotsekanal, sondierte SeaTerra, weil dort die Fußgängerbrücke vom Kanalplatz zur Schlossinsel gebaut werden soll. Vorsorglich wird wegen der Kosten übrigens nirgendwo sondiert, sondern nur bevor etwas gebaut wird.