Warum die Soziale Beratungsstelle Harburg der Diakonie im 25. Jahr ihres Bestehens für viel Anwohner wichtiger denn je ist.

Harburg. "Denn Arme habt ihr allezeit bei euch." Wie aktuell dieses Bibelzitat aus dem Johannesevangelium ist, erleben die Mitarbeiter der Sozialen Beratungsstelle Harburg an der Seehafenbrücke jeden Tag. In diesem Jahr besteht die Einrichtung des Diakonischen Werks Hamburg 25 Jahre. Gestern wurde das Jubiläum im Foyer der TuTech im Binnenhafen gebührend gefeiert.

"Die Arbeit der Beratungsstelle spiegelt ein Vierteljahrhundert geliebtes und gelebtes Leben zwischen Angst und Mut wider", würdigte Landespastorin Annegrethe Stoltenberg, zugleich Vorsitzende der Diakonie Hamburg, das Engagement ihrer Mitarbeiter.

Die Bilanz ist beeindruckend: Seit 1987 wurden 11 600 Menschen beraten und 5000 in persönlicher Hilfe begleitet. Die aktuellen Zahlen belegen, dass die Zahl der Hilfsbedürftigen keineswegs geringer geworden ist: Im Vorjahr wurden 728 Menschen beraten, 192 erhielten persönliche Hilfe. Weitere 43 konnten von der Straßensozialarbeiterin Julia Roesch erfolgreich ins Hilfssystem integriert werden, etwa durch das Begleiten zu Ämtern oder die Unterstützung beim Ausfüllen notwendiger, unverzichtbarer Formulare.

Ein besonderer Schwerpunkt ist von Beginn an das Vermitteln und Sichern von Wohnraum. So konnten in den vergangenen 25 Jahren 1350 Menschen eigene vier Wände vermittelt und weiteren 760 die Wohnung erhalten werden. Dass gerade diese Arbeit über die Jahre nicht einfacher geworden ist, bestätigte auch Hamburgs Sozialdezernent Detlef Scheele (SPD). Durch die anhaltende, externe Zuwanderung bezeichnete er die Lage auf dem Wohnungsmarkt als "unverändert prekär". Zuletzt habe der Senat für Migrantenfamilien mit Kindern sogar Hotelzimmer anmieten müssen, um seine Verpflichtungen nach dem Gesetz einhalten zu können.

Um so wichtiger sei die verlässliche und kontinuierliche Arbeit der Sozialen Beratungsstelle Harburg als Hilfe zur Selbsthilfe. "Sie befähigt Menschen dazu, ein selbstbestimmtes Leben ohne staatliche Unterstützung zu führen, gibt ihnen Würde und Achtung zurück", so Scheele wörtlich.

"Das Recht auf ein menschenwürdiges Zuhause ist von existenzieller Bedeutung", sagte später Marc Meyer. Der Jurist arbeitet für den Verein Mieter helfen Mietern. Als Scheele die Feierstunde wegen dringender Termine längst verlassen hatte, übte Meyer heftige Kritik an der Wohnungspolitik des Senats. "Die Lage am Wohnungsmarkt ist so dramatisch wie nie." Die vom Senat gedeckelten Mietobergrenzen für zuschussfähigen Wohnraum trügen dem aber in keiner Weise Rechnung. Mit dieser Praxis mache sich die Behörde zum Motor eines Prozesses, in dem immer mehr sozial schwache Familien ihre Wohnungen verlören.

Eigentlich hätte Hamburg eine gute Ausgangsposition in Sachen bezahlbarer Wohnraum. Von den rund 900 000 Wohnungen der Stadt seien immerhin 80 Prozent Mietwohnungen. 130 000 sind im Besitz des kommunalen Trägers Saga GWG, noch einmal so viele gehören Genossenschaften. Da aber fast jeder zweite Haushalt aufgrund geringen Einkommens das Anrecht auf Mietzuschüsse (Paragraf-5-Schein) habe, reiche das Angebot an Wohnraum für eine Nettokaltmiete von bis zu sechs Euro pro Quadratmeter bei weitem nicht aus.

"De facto fehlen in diesem Segment aktuell etwa 50 000 Wohnungen", sagte Meyer. Innerhalb von zehn Jahren sei die Gesamtzahl um 60 000 auf derzeit 100 000 gefallen. Laut Prognosen werde sie am Ende dieses Jahrzehnts sogar auf 60 000 gesunken sein.

Nun räche es sich, dass sozialer Wohnungsbau in der jüngeren Vergangenheit kaum noch stattgefunden habe. 10 000 solcher Wohnungen müssten in den nächsten zehn Jahren gebaut werden, um die Lage nachhaltig zu entspannen. Zumal Metropolen wie Hamburg seriösen Schätzungen zufolge bis zu 12 000 "arme Menschen" pro Jahr anzögen. Schon jetzt gebe es aber 230 000 Transferempfänger in 120 000 Haushalten. Hinzu kommen noch 85 000 Studenten und 40 000 Auszubildende, die im besten Falle 620 Euro zur Verfügung hätten. Meyer: "Bei Neubauten sind Nettokaltmieten von zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr. Für einkommensschwache Menschen ist das schlicht unerschwinglich."

Ein weiteres Problem sieht Meyer in der geforderten energetischen Sanierung von Gebäuden. Die Kosten würden in der Regel auf die Mieter umgelegt, die in immer mehr Fällen nach der Erhöhung die Mieten nicht mehr zahlen könnten. "Das fördert die Verdrängung sozial schwacher Familien", sagt Meyer.

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung fordert Helmut Trummel, Mitarbeiter der Sozialen Beratungsstelle Harburg, vom Senat, er möge mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege auf Augenhöhe umgehen. "Kürzungen bei den finanziellen und personellen Ressourcen, wie in den vergangenen Jahren immer wieder geschehen, sind angesichts der aktuellen Situation kaum mehr zu verkraften. Sie sind in jedem Fall der falsche Weg."