Bei einer länder- und staatenübergreifenden Aktion kontrollierten Beamte auch in den Landkreisen südlich von Hamburg.

Klecken. Hunderte von Polizisten haben bis heute Morgen in einer länder- und staatenübergreifenden Aktion Raser gestellt. An mehr als 300 Messpunkten postierten sich Beamte allein in Niedersachsen. Auch in Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden gab es Verkehrskontrollen in ähnlichen Dimensionen. Das Abendblatt war im Landkreis Harburg vor Ort.

"Wir messen vor allem entlang unfallträchtiger Strecken", sagt Michael Düker, Leiter der sogenannten Verfügungseinheit der Polizeiinspektion Harburg. Gerade hat der sechsköpfige Trupp unter seiner Leitung Stellung an der Kreisstraße 12 bei Klecken bezogen, die hier schnurgerade durch einen Wald führt. Das, so Düker, sei eine dieser gefährlichen Strecken.

Mario Rossberg aus Buchholz wäre es lieber gewesen, die Polizei hätte an diesem Tag nicht kontrolliert. Gerade hat ihn ein roter Blitz von jenseits der Windschutzscheibe erschreckt, 200 Meter weiter hat der 35-Jährige auch noch eine rote Polizeikelle gesehen, gehalten von einer jungen Beamtin, die Wagen und Fahrer freundlich, aber bestimmt aus dem Verkehr gezogen hat. Da stehen sie nun, Mario Rossberg und sein schwarzer Ford Fiesta. Zeit für ein pädagogisch wertvolles Gespräch. An jedem anderen Tag wäre der Fall mit dem Blitzlicht vorerst beweissicher abgeschlossen. Der Autofahrer hätte einige Wochen später Post vom Landkreis bekommen. Aber beim 24-Stunden-Blitzmarathon, wie die Aktion inoffiziell genannt wird, suchen die Beamten das Gespräch. "Das erzeugt Einsicht", meint Einsatzleiter Düker.

"Och ja, passt schon", sagt Mario Rossberg lakonisch. "Ich hab' einen andern Wagen überholt, und dabei hab' ich überhaupt nicht aufs Tempolimit geachtet." 70 Kilometer pro Stunde sind im Wäldchen bei Klecken erlaubt, 90 Sachen hat das Messgerät im Falle des Buchholzers ermittelt. Abzüglich der Toleranz ist er also 17 Kilometer pro Stunde zu schnell gefahren. In Euro umgerechnet: 30. Kassiert wird an diesem Tag sofort, die Beamten haben mobile EC-Kartenlesegeräte dabei. "Das ist für die Betroffenen eigentlich positiv", sagt Hauptkommissar Düker, "so wissen sie sofort, was sie erwartet, und der Fall ist mit der Zahlung endgültig abgeschlossen."

Elf Kontrollstellen gab es landkreisweit in Harburg, weitere elf im Landkreis Stade und noch mal zehn im Bereich Lüneburg/Lüchow-Dannenberg und Uelzen. Alles in allem verzeichneten die eingesetzten Polizisten eine ruhige Schicht. Wer geblitzt wurde, hätte es eigentlich vermeiden können: Alle Kontrollpunkte waren im Vorwege bekannt gegeben worden. "Sinnvoller wäre sicherlich, wenn die Autofahrer nicht wüssten, wo wir stehen", sagt Michael Düker. "Vielleicht hätten wir heute ohnehin an dieser Stelle kontrolliert, das wäre dann nur nicht im Vorwege publiziert worden." Was ihn wirklich überrascht: dass einige Autofahrer den Blitzmarathon aller Öffentlichkeitsarbeit zum Trotz komplett ignoriert haben.

Warum aber hat das niedersächsische Innenministerium die Kontrollpunkte überhaupt veröffentlicht? Vera Wucherpfennig, stellvertretende Sprecherin im Hause, sagt: "Das Ganze dient ja auch dazu, die Akzeptanz polizeilichen Handelns zu steigern." Selbstverständlich werde die Polizei auch künftig blitzen, ohne die Orte zuvor zu kommunizieren. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagt vor dem Hintergrund, dass die Zahl der bei Verkehrsunfällen schwer Verletzten und Getöteten 2011 im Bundesschnitt erstmals seit 20 Jahren angestiegen ist: "Ich bin mir sicher, dass die Potenziale für eine deutliche Reduzierung der Zahl der Verkehrsunfälle mit schweren Folgen noch nicht ausgeschöpft sind. Unfälle passieren nicht einfach, sie werden von Menschen verursacht und sind damit auch vermeidbar." Ziel der Landesregierung sei, die Zahl dieser Unfälle bis spätestens 2020 um ein Drittel zu reduzieren und dafür das Geschwindigkeitsniveau zu senken.

Hauptkommissar Michael Düker beobachtet unterdessen, dass weniger Autofahrer sehr schnell fahren als in früheren Zeiten. "Ich vermute als Ursache, dass die Menschen heutzutage Sprit sparen wollen. Früher sind sie gerast, heute fahren sie eher ihren Trott", sagt er. In dieses Bild passt, dass die Beamten bei Klecken keinen ganz gravierenden Ausreißer nach oben gemessen haben.

Nach einem Tag und einer Nacht ist der 24-Stunden-Blitzmarathon heute Morgen um 6 Uhr zu Ende gegangen. Ergebnisse will das niedersächsische Innenministerium im Laufe dieses Tages präsentieren.