“Buchholzer Dialoge“: Bei einem Ausflug in die Hansestadt informieren sich Vertreter aus Politik und Verwaltung über Bauprojekte.

Buchholz/Lübeck. Die klassische Art, neue Projekte in einer Stadt oder Gemeinde anzugehen, sieht häufig so aus: Eine Partei oder die Verwaltung macht einen Vorschlag, in den Ausschüssen wird hitzig darüber diskutiert, der eine ist dagegen, der andere ist dafür. Handfeste Zahlen oder Erfahrungen anderer Kommunen, beispielsweise bei neuen Bauvorhaben, liegen zu diesem Zeitpunkt meistens gar nicht vor, die Entscheidungen treffen die Politiker irgendwie aus dem Bauch heraus. Und dabei spielen Sachargumente nicht immer eine Rolle, sondern eher Parteipositionen oder schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit, die man mit seinem Nein zur Idee der Gegenpartei schlichtweg vergelten will.

In der Stadt Buchholz soll diese Art der Kommunalpolitik jetzt der Vergangenheit angehören. "Buchholzer Dialoge" heißt die neue Reihe, die die frisch gebackene Stadtbaurätin Doris Grondke initiiert hat. Sie will, dass die Mitglieder der unterschiedlichen Parteien miteinander ins Gespräch kommen. Bei Entscheidungen sollen Sachargumente zählen, es soll eine gemeinsame Wissensbasis geben, von der aus alle ihre Meinung zu einem Thema äußern können. Den Auftakt zu dieser neuen politischen Gesprächskultur bildete am vergangenen Sonnabend ein Ausflug von 25 Vertretern aus Verwaltung und Stadtrat nach Lübeck.

Lübeck? Warum sollten die Buchholzer gerade von dort aus in neue Zeiten aufbrechen? Die Antwort lautet, dass Doris Grondke vor ihrer Zeit als Stadtbaurätin bei einem Hamburger Architekturbüro gearbeitet hat und an zwei Bauprojekten in Lübeck beteiligt war: dem Hochschulstadtteil und dem Wohngebiet Bornkamp. Mit der Fahrt nach Lübeck sollten die Buchholzer somit einen Einblick in die Planung und Umsetzung dieser Stadtentwicklungsprojekte erhalten, der ihnen neue Ideen für ihre eigene Stadt liefern kann.

"Geradeaus die neue Bundesstraße hinunter und dann links rein", sagt Doris Grondke zum Busfahrer, der die Ausflügler bei strahlendem Sonnenschein direkt zum ersten Ziel, dem Hochschulstadtteil, bringt. Circa 5000 bis 6000 Einwohner leben dort heute auf einer Fläche von insgesamt 230 Hektar, wie Anne-Katrin Lorenzen, Leiterin der Stabsstelle Generelle Planung der Hansestadt Lübeck, erklärt. Nach dem Bürgerschaftsbeschluss im Jahr 1989, hier "ein Stück Stadt" - so das Logo des Stadtteils - am südlichsten Ende Lübecks zu errichten, war im Jahr 2003 schließlich der letzte Bebauungsplan rechtskräftig. "In der Politik war das Projekt mehrheitlich nicht umstritten", sagt Lorenzen.

Heute reihen sich Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser neben drei Kindertagesstätten, einer Grundschule und dem Einkaufszentrum Mönkhof-Karree aneinander, wie die Buchholzer bei einem Rundgang durchs Viertel erfahren. "Grünflächen hatten in der Planung immer Vorrang", erklärt Landschaftsarchitektin Maria Julius vom Büro TGP. Ein öffentlicher Wanderweg führt direkt am Rande des Wohngebiets entlang, auch der Kontakt zu Tieren sollte möglich sein. Dass das tatsächlich stimmt, beweisen gemächlich wiederkäuende Kühe, die hinter dem südlichsten Häuserzipfel weiden und sich von der Ausflugsgruppe keineswegs aus der Ruhe bringen lassen.

Doch auch im Hochschulstadtteil ist nicht alles Gold, was glänzt. Architektonisch sei nicht jedes Haus so geworden, wie man es sich vorgestellt habe, gibt Anne-Katrin Lorenzen zu. Doris Grondke formuliert es direkter: "Es gibt einige hässliche Häuser, die man nicht verhindern konnte." Sie empfehle einer Kommune, stärkere Vorgaben zu machen. Auch für diese Erfahrung sei der Ausflug nach Lübeck sinnvoll.

Im kleineren, nur 30 Hektar umfassenden Wohngebiet Bornkamp gibt es diese Bausünden kaum. Sieben idyllische Wohninseln mit je 20 bis 25 im Rund angelegte Häuser erstrecken sich im südlichen Teil, im Norden schließen sich niedrige Flachdachbauten an. Die Großstadt Lübeck mit ihren mehr als 200 000 Einwohnern zeigt sich hier von ihrer dörflichen Seite. Im Jahr 2005 seien die ersten der derzeit rund 1500 Bewohner eingezogen, sagt Matthias Rasch, Geschäftsführer der städtischen Grundstücksgesellschaft Trave. An den Straßen, deren Namen alle einen Ostsee-Bezug haben, stehen Bungalows, Reihen- und Doppelhäuser.

Die Buchholzer Politiker nehmen all die neuen Informationen begeistert auf. "Es ist wichtig und richtig, über den Tellerrand zu schauen und Fraktionsgrenzen hinter sich zu lassen", sagt Grünen-Fraktionschef Joachim Zinnecker. Für die Gestaltung neuer Baugebiete wie der Rütgers-Fläche könne man so wichtige Informationen sammeln. Ein dickes Lob hat er auch für Doris Grondke, die "so engagiert an ihre Aufgabe herangeht". Auch SPD-Ratsmitglied Norbert Stein ist begeistert vom Einsatz der neuen Stadtbaurätin. Bürgermeister Wilfried Geiger spürt hinter der ungezwungenen Atmosphäre des Ausflugs eine gewisse Aufbruchstimmung für die gesamte Stadt. Wie wollen wir Buchholz weiterentwickeln? Dieser Frage müssten sich alle Parteien gemeinsam stellen. Auch wenn viele Dinge aus der Großstadt Lübeck nicht eins zu eins übertragbar seien, würden die Informationen hilfreich sein.

Bereits fürs kommende Frühjahr plant Doris Grondke die nächste Ausflugsfahrt. Dabei könnte es um die Innenentwicklung von Städten gehen, also um die Frage, wie Verdichtung funktionieren kann und wie sich Gebäude umnutzen lassen.