Wiener Gutachter schlägt vor, verlegte Trasse für Autofahrer unattraktiver zu gestalten. Die Leistung soll gleich bleiben.

Wilhelmsburg. Der mit einem Gutachten zur geplanten Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße beauftragte österreichische Verkehrsplaner Hermann Knoflacher hält eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von nur 40 Kilometern pro Stunde auf der Elbinsel-Bundesstraße für möglich, ohne dass dadurch die Leistungsfähigkeit der Straße gesenkt würde. Außerdem braucht die neue Reichsstraße seiner Meinung nach nur etwa 15 Meter breit sein, nur halb so breit wie geplant. Die jetzigen Planungen sehen Tempo 80 und eine 28 Meter breite Trasse vor.

Der bekannte Autokritiker aus Wien hat am Mittwochabend im Bürgerbeteiligungsgremium Verkehr des Bezirkes Hamburg-Mitte seine mit Spannung erwartete erste Einschätzung zu dem Straßenbauprojekt gegeben. In einem Gutachten soll er bis Ende des Jahres Alternativen zur bisherigen Planung vorschlagen. Knoflacher ist der Wunschgutachter verschiedener Bürgerinitiativen in Wilhelmsburg, die eine für den Autoverkehr weniger attraktive verlegte Reichsstraße fordern.

Hermann Knoflacher verfolgt mit seinem Gutachten das Ziel, eine verlegte Wilhelmsburger Reichsstraße zu schaffen, die dem Autofahrer weniger attraktiv erscheint, ohne die geforderte Leistungsfähigkeit der Straße einzuschränken. Dem Querdenker aus Wien ist bewusst, dass ein neuer Typus Bundesstraße geschaffen würde, der dem Bundesverkehrsministerium als revolutionär erscheinen dürfte.

Auch wenn sein Vorschlag weit von der derzeitigen Planung abweiche - er sei von den gültigen Richtlinien gedeckt, sagt Hermann Knoflacher. "Ich mache keinen unanständigen Vorschlag", betont er. Dennoch müssten die Wilhelmsburger und auch die Stadt Hamburg Stehvermögen und Zähheit beweisen, sollten sie die innovative Projektplanung durchsetzen wollen. Verkehrsplaner, scherzt Knoflacher süffisant und meint damit die Planer in den Behörden, würden eher an Richtlinien glauben als an wissenschaftliche Erkenntnisse.

Hintergrund: Die erwarteten Kosten von beinahe 140 Millionen Euro für den Bau der fünf Kilometer langen verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße übernehmen größtenteils der Bund und die Deutsche Bahn. Hermann Knoflacher muss mit seinen Vorschlägen also ausloten, inwieweit der Bund die alternative Planung noch als seine eigene Straße anerkennt und finanziert oder die abgespeckte Planung als Hamburger Bezirksstraße ansieht und von der Finanzierung absieht.

Die wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten stünden auf seiner Seite, ist Knoflacher überzeugt. Egal ob ein Höchsttempo 40 oder 80 angeordnet werde - die vierspurige Straße könne in etwa die gleiche Verkehrskapazität bewältigen, verblüfft der Wiener Experte sein Publikum. Die Wilhelmsburger Bürgerinitiativen sehen sich damit in ihrer Forderung nach Tempo 50 auf der verlegten Reichsstraße bestätigt. Auf der alten Wilhelmsburger Reichsstraße gilt jetzt schon auf einem knapp zwei Kilometer langen Abschnitt entlang des Geländes der Internationalen Gartenschau Höchsttempo 50.

Knoflacher sorgt auch mit einer zweiten Äußerung für Hoffnung bei den Bürgerinitiativen: Die Hälfte der vorgesehnen Straßenbreite, etwa 14 bis 15 Meter, würde ausreichen, um die erforderliche Verkehrskapazität zu garantieren. Standstreifen wie vorgesehen seien zwar "bequem", aber nicht notwendig. "Man könnte auch Haltebuchten machen", so Knoflacher. Zudem könnte statt eines Mittelstreifens eine Betonwand gebaut werden.

Zur Geschwindigkeitsüberwachung schlägt der Wiener Verkehrsplaner ein aus Österreich bekanntes System vor: die sogenannte Section-Control. Bei dieser Abschnittskontrolle wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke gemessen. Dabei fotografiert eine Kamera das Fahrzeug an zwei Überkopfkontrollpunkten und identifiziert es anhand des Nummernschildes. Fährt jemand zu schnell, werden dessen Daten automatisch an die Behörden übermittelt.