Beim Informationsabend zur Planung der umstrittenen Küstenautobahn gab es viel Skepsis. Landwirte fürchten um ihre Ackerflächen.

Drochtersen. Noch stehen die Planungen für die Elbquerung per Tunnel für die A 20 von Schleswig-Holstein und ein Autobahndreieck A20/A26 bei Drochtersen ganz am Anfang, aber schon sind sie Auslöser kontroverser Debatten. Während Drochtersens Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch (CDU) und Kreisbaurat Hans-Hermann Bode in einer ersten Informationsveranstaltung die Chancen auf Wirtschaftswachstum, neue Arbeitsplätze und verbesserter Infrastruktur in der nördlichen Region des Landkreises Stade hervorhoben, brachten Bürger und Bauern ihre Skepsis zum Ausdruck. Landwirte wie Thomas Morgenstern aus Aschhorn fürchten den Verlust hochwertiger Acker- und Weideflächen als schwerwiegenden Nachteil, wenn eine Autobahn die Landschaft zerschneidet.

Im Zuge der Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplanes haben nun auch die Planfeststellungsverfahren für die Küstenautobahn begonnen. Der Niedersächsische Verkehrsminister Jörg Bode misst der neuen Trasse für den gesamten Norddeutschen Raum große Bedeutung zu. Die A 20 werde einen neuen Schub für die gesamte niedersächsische Küstenregion bringen.

Wie die Elbe-Weser-Region verkehrstechnisch neu erschlossen werden kann und welche Auswirkungen auf die Entwicklung von Wirtschaft, Gewerbe und Infrastrukturen im Bereich der Gemeinde Drochtersen zu erwarten wären, erklärten Stades Kreisbaurat Hans-Hermann Bode, Stadtplaner Gerd Kruse vom Hamburger Planungsbüro Elbberg und Thilo Ramms vom Planungsbüro regecon aus Tostedt, der sich auf regionalwirtschaftliche Forschung und Beratung spezialisiert hat. Nach seinen Prognosen, die auf vergleichbaren Entwicklungsanalysen an anderen Autobahnen basieren, könnten in Drochtersen entlang der Autobahn bis zu 200 Hektar große Gewerbeflächen mit Zubringerstraßen entstehen, die bis zu 4000 neue Arbeitsplätze in der rund 11 000 Einwohner zählenden Gemeinde bringen könnten. Logistik-Unternehmen, produzierendes Gewerbe oder E-Commerce-Firmen seien potenzielle Nutzer, wenn Autobahnanbindungen als optimale Rahmenbedingungen vorhanden sind, so Ramms.

Bürgermeister Bösch sieht die Autobahn als "große Chance" im strukturschwachen Norden des Landkreises. "Wenn schrittweise Gewerbeflächen bedarfsgerecht erschlossen werden, bringt das viele neue Impulse", sagt Bösch. Eine Konkurrenz zum bestehenden Gewerbegebiet Gauensiek sehe er nicht, zumal Gewerbeflächen für sehr individuelle Nutzungen vergeben werden könnten. Schon jetzt gebe es mehr Nachfragen, als die Gemeinde Flächen vergeben könne. All das müsse bei der Änderung der Flächennutzungspläne berücksichtigt werden und die Gemeinde müsse Erschließungsträger anheuern, um ein zeitnahes Realisierungskonzept planen zu können, so Bösch.

"Drochtersen könnte rund um das Autobahndreieck Premium-Gebiet werden, ein Vorteil, den wir unbedingt nutzen sollten", gibt Bösch eine klare Linie vor. "Wir stehen zur Autobahn, brauchen sie langfristig, um im strukturschwachen Kehdingen Arbeitsplätze zu schaffen und junge Familien hier zu halten."

Doch noch ist das Zukunftsmusik, denn nur wenn 2014 das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen und die Finanzierung gesichert ist, könnten frühestens 2020/22 auf der Küstenautobahn und dem Anschluss an die A 26 Autos fahren und die wirtschaftliche Effizienz der Region steigern, wagt Ramms eine Prognose.

Da müsse Ramms wohl noch mal nachrechnen, denn so einfach sei das nicht, gibt Landwirt Morgenstern Kontra. "Der Landkreis Cuxhaven hatte bundesweit die höchste Arbeitslosenquote, bevor es eine Autobahnanbindung gab und hält diesen Rekord heute noch", sagt Morgenstern. Die Landwirte "finden es nicht richtig, dass andere über ihre Flächen bestimmen wollen".

"Kostbare Ackerflächen für Getreideanbau kann man nicht vermehren und viele der Ausgleichsflächen in Naturschutzgebieten sind als Weideflächen nur bedingt eine Alternative", argumentiert Morgenstern. Es seien zu viele Ausgleichsflächen, mit denen die Bauern kaum etwas anfangen können. In den Feuchtgebieten mache sich der für das Weidevieh giftige Sumpf-Schachtelhalm "Duwock" breit. Er sei kaum zu bekämpfen. Und weil die Naturschutzbehörde des Landkreises auch bestimmt, wann auf den geschützten Flächen gemäht werden darf, wächst er uneingedämmt, sodass dort das Vieh nicht weiden könne, beschreibt Morgenstern die Misere.

"Und wenn uns die Flächen für Getreideanbau fehlen, müssten wir mehr Vieh halten, neue Ställe bauen, die rund 400 000 Euro kosten. Dafür würden wir keine Unterstützung bekommen und auch mit der Finanzlast allein dastehen", sagt Morgenstern. Sein 28-jähriger Sohn Moritz will den elterlichen Hofbetrieb übernehmen. "Aber mit dem Autobahnbau sehe ich meine Zukunft beeinträchtigt", sagt der Junglandwirt.