Angeblich handzahmes Tier wehrte sich gegen seine Umsiedlung von Hörsten nach Rendsdorf

Hörsten. Rudi ist eine etwa sechs Jahre alte Damwild-Hirschkuh und sie lebte bisher zufrieden in einem Gehege in Hörsten. Doch ihr Besitzer ist gestorben und die Erben bitten den Revierpächter und Hobbyjäger Horst Beckedorf um Hilfe. Rudi muss weg! Allein auf der Weide kann sie nicht stehen bleiben, wenn niemand mehr da ist, sie zu füttern. Sie einzuschläfern ist auch keine Option. "Ich rufe eine befreundete Tierärztin an. Wir betäuben Rudi und fahren sie in ein großes Gehege in der Nähe von Boitzenburg. Da hat sie Gesellschaft", entscheidet Beckedorf.

Doch die angeblich handzahme Hirschkuh denkt gar nicht daran, sich von der Tierärztin Sandra Flick betäuben zu lassen. Eine gute Stunde läuft die 39-Jährige in strömendem Regen mit Blasrohr und Betäubungspfeilen bewaffnet hinter Rudi her, bis endlich ein Pfeil sitzt. Statt einzuschlafen, gibt Rudi allerdings sofort wieder Fersengeld, als Horst Beckedorf (55) und Uwe Thömen (57) das Gehege betreten. Sandra Flick braucht noch einen Pfeil. Und noch einen. Erst nach insgesamt vier Milligramm Betäubungsmittel und einer weiteren Stunde können sich die Männer dem Tier nähern. Und auch jetzt gibt Rudi noch nicht auf. Sie schlägt aus. Blut fließt. Nicht ihres, sondern das von Uwe Thömen, dem sie mit der Hinterpfote die Hand blutig schlägt. Erst als die Männer ihr mit Seilen die Vorder- und Hinterläufe zusammenbinden, gelingt es, Rudi in einen bereit stehenden Pferdeanhänger zu legen.

In Rendsdorf, einem kleinen Ort in der Nähe von Lauenburg, wartet der Verwalter eines Damwild-Geheges. Wolfgang Kasten (58) freut sich über Rudi. "Frisches Blut in einer Herde ist immer gut, und Rudi hat eine schöne helle Farbe", sagt der Fachmann. Gemeinsam holen sie das Tier aus dem Hänger und lösen die Fesseln. Eine von der Tierärztin gesetzte Aufwachspritze bringt die Hirschkuh innerhalb von Sekunden wieder auf die Beine. Ihre ersten Schritte werden hundert Meter entfernt von der neuen Herde interessiert beobachtet.

"Die werden sich schnell an sie gewöhnen", ist sich Wolfgang Kasten sicher. "Die Viecher sind ja so neugierig. Ich gebe der Bande einen Tag, dann wird Rudi integriert sein. Es wird ihr hier gut gehen, und vielleicht hat Rudi im nächsten Jahr schon Nachwuchs."

Sandra Flick, Horst Beckedorf und Uwe Thömen strahlen nach der Aktion um die Wette. "Das hat ja doch ganz gut geklappt", sagt Beckedorf freudestrahlend. "Als wir so lange gebraucht haben, Rudi einzufangen, habe ich befürchtet, dass wir sie doch töten müssen. Aber so ist es natürlich viel schöner."