Im Bezirk Harburg spitzt sich die politische Diskussion um die Sparpläne des Senats in der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu.

Harburg. Die Situation ist verfahren. Nach den Planungen des Senats für de Haushalt 2013 der Freien und Hansestadt Hamburg sollen alle sieben Bezirke rund 3,5 Millionen Euro in der offenen Kinder- und Jugendarbeit einsparen. Zum einen geht es um die Konsolidierung des defizitären Hamburger Haushaltes, zum anderen, so die Argumentation des SPD-Senats, fangen die flächendeckend ausgebauten Kita- und schulischen Ganztagsangebote einen Großteil der Kinder auf, die vordem die Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit nutzten. Für den Bezirk Harburg bedeutet diese Sparrichtlinie, dass etwa zehn Prozent, also rund 211 000 Euro in diesem Bereich gekürzt werden sollen. Diese Sparvorgabe hat der Senat im Sommer in den Bezirken angekündigt. Anfang Dezember wird der Senat seinen Sparhaushalt verabschieden. Wenn er bei seinen Sparplänen bleibt und die Hamburger Bürgerschaft diese so beschließt, werden auch die Harburger Freien Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit ab kommenden Januar 211 000 Euro weniger zur Verfügung haben.

Wie berichtet, legte die Harburger Bezirksverwaltung dem Jugendhilfeausschuss, er verteilt per Beschluss die Gelder an die Träger, eine hausgemachte Streichliste vor, mit der der Hamburger Vorgabe entsprochen werden sollte. "Wir haben mit dieser Liste versucht, die Kürzungen umzusetzen, ohne die Strukturen der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu zerschlagen. Unsere Intention war es, bei den Streichungen ohne Stellenkürzungen auszukommen", so Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann. Der Harburger Jugendhilfeausschuss unter Vorsitz der Grünen-Abgeordneten Heinke Ehlers lehnte den Streichvorschlag der Verwaltung gegen die Stimmen der SPD und der FDP ab.

Die SPD zweifelt die Korrektheit des Beschlusses nach wie vor an. Damit ging das Harburger Dilemma los. Die Politik hat längst die sachliche Diskussionsebene verlassen. In den Fraktionen geht es lediglich um die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Beschlüssen und um die Geschäftsordnung des Jugendhilfeausschusses. "Die SPD zerschlägt Strukturen und den guten Umgang im Jugendhilfeausschuss", wirft Heinke Ehlers den Sozialdemokraten vor. Und die SPD ihrerseits wirft Ehlers vor, ihre Rolle als Ausschussvorsitzende nicht neutral auszufüllen.

Der Graben zwischen den beiden Lagern scheint tief, weit tiefer als bei dem üblichen politischen Gezänk in den Ausschüssen. Selbst hinter den Kulissen, so eine Bezirksabgeordnete, die namentlich nicht genannt werden möchte, sei "kein vernünftiges Gespräch über das Thema mehr möglich". Die SPD versucht Druck aufzubauen, um die von der Verwaltung vorgeschlagene Streichliste und ihre eigenen, im Ausschuss eingebrachten Streichvorschläge doch noch durch zu bringen. Ihr Argument: Die Opposition lasse die freien Träger im Regen stehen, wenn sie nicht vor dem endgültigen Haushaltsbeschluss der Bürgerschaft im Dezember eine klare Marschrichtung vorgebe. Und die Zustimmung zur Streichliste sei vor Dezember nötig, um wissen zu können, für welche Projekte aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit Geld aus dem Umsteuerungsfonds beantragt werden sollen. Aus diesem Fonds stellt der Senat Überbrückungshilfen für gestrichene Projekte zur Verfügung. "Wir lassen uns nicht auf Linie bringen, und wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Und die Träger sind mit im Boot", sagt Heinke Ehlers. Noch stehe der Bürgerschaftsbeschluss zu diesem Haushaltseckpunkt nicht, sagt sie.

Von dem Druck der SPD zeigen sich inzwischen auch die freien Träger ungerührt. Sie lehnen die Streichungen ab, weil aus ihrer Sicht weder Kitas noch Ganztagsschulen die Kinder und Jugendlichen auffangen könnten, die von den Freien Trägern betreut würden. Das Ganztagsprogramm befinde sich derzeit noch im Aufbau. "In Harburg hat sich die Situation tatsächlich sehr zugespitzt, und die Harburger Träger wollen sich an dieser Schlammschlacht nicht beteiligen, sondern zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren", sagt Christian Böhme. Böhme ist Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hamburg. In diesem Fall spricht Böhme auch für das gerade gegründete "Bündnis gegen Rotstift", in dem sich alle betroffenen Hamburger Träger organisiert haben. In dem Druck, den die SPD in Harburg aufbaue, so Böhme, sehe er den Versuch, die Träger zu spalten. "Das wird nicht gelingen", versichert der Sprecher.

Das Gegenangebot von Grünen, CDU, Die Linke und den Trägern in vielen Hamburger Bezirken liegt in Form eines Moratoriums aus. Altona und Bergedorf haben dem - teilweise sogar mit den Stimmen der SPD - bereits zugestimmt. In diesem Moratorium wird ein Aussetzen der Einsparungen für zwei Jahre gefordert. Diese Zeit, so die Unterstützer, könne dazu genutzt werden, alle Angebote der Freien Träger auf den Prüfstand zu stellen und auf Einsparpotenziale hin zu prüfen. Dieses Moratorium unterstützen auch die Freien Träger in Harburg.

Und noch etwas eint die Gegner der Sparpläne des Hamburger Senats zur Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Kinder und Jugendlichen in der Hansestadt. Sie hoffen darauf, dass die "SPD-Bürgerschaftsabgeordneten sich ihrer Verantwortung für ihre Wahlkreise stellen und in der Bürgerschaft bei den abschließenden Haushaltsberatungen gegen die Einsparungen stimmen werden", so Heinke Ehlers. Unterdessen hat Holger Stuhlmann an die Harburger Freien Träger schon einen Info-Brief verschickt. "Ich habe den Trägern mitgeteilt, wie die derzeitige Sachlage ist, dass wir jetzt auf den Bürgerschaftsbeschluss im Dezember warten, und dass es bis dahin keine Planungssicherheit für die Freien Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit gibt", sagt der Harburger Sozialdezernent. Beschließt die Bürgerschaft die Kürzungen von 3,5 Millionen Euro Hamburg weit in diesem Bereich, bleibt dem Harburger Jugendhilfeausschuss im Dezember nichts anderes übrig, als die verbleibenden Mittel unter den Trägern aufzuteilen. Dann werden in jedem Fall einige Projekte dem Rotstift zum Opfer fallen.