Qualifizierungsmaßnahme in Neu Wulmstorf bietet Arbeitslosen neue Perspektiven

Neu Wulmstorf. Mit Stühlen, Kommoden, Sofas und Tischen, die wegen kleinerer Mängel bei Ikea auf dem Müll landen, schreibt die Möbelkiste in Neu Wulmstorf eine neue Erfolgsgeschichte. In der Einrichtung der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe im Grenzweg 23a machen jugendliche und erwachsene Langzeitarbeitslose die alten Stücke wieder flott und verkaufen sie an Menschen mit geringem Einkommen und an soziale Träger aus den Landkreisen Harburg und Stade. Doch das ist im Grunde nur eine Randnotiz. Mit dem Angebot verfolgen die Verantwortlichen ein größeres Ziel: Sie wollen die Teilnehmer des Qualifizierungsangebots innerhalb eines Jahres in Ausbildung und Arbeit bringen. Und das funktioniert bislang richtig gut: Projektleiter Klaus Reese und sein Team feierten kürzlich eine Vermittlungsquote von - dank einiger vermittelter Nachrücker - 103 Prozent.

Als die Möbelkiste im Januar 2011 mit Sack und Pack nach Neu Wulmstorf zog, gingen alle, die an dem Integrationsprojekt auf irgendeine Art und Weise beteiligt waren, hoch motiviert an die Arbeit. Ideengeber Klaus Reese vereinbarte eine Kooperation mit dem schwedischen Möbelkonzern Ikea. Seither fahren die "Möbelkistler" einmal pro Woche nach Moorburg und laden Klassiker wie beispielsweise das Billy-Regal und andere Dinge in den Kleinlaster der Kinder- und Jugendhilfe.

In der Möbelkiste überprüfen sie die Mitbringsel dann auf Schäden und möbeln sie im Hobbykeller wieder auf. "Wir müssen da manchmal richtig kreativ werden, denn nicht immer sind alle Waren auch vollständig", sagt er technische Leiter Reiner Wazinski, der den Arbeitslosen bei allen handwerklichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite steht.

Wer beim Qualifizierungsangebot der Einrichtung mitmacht, hat oftmals einen langen Leidensweg hinter sich.

Viele Jugendliche haben keinen oder nur einen schlechten Hauptschulabschluss, sind unter schwierigen sozialen Verhältnissen aufgewachsen, haben Schulden, Suchtprobleme, sind alleinerziehend. "Viele, die uns die Jobcenter aus Buchholz und Harburg vermitteln, haben außerdem oft eine richtige Maßnahmenkarriere hinter sich und sind frustriert, sehen keine Perspektive mehr", sagt Franziska Jürgens, Sozialarbeiterin der Möbelkiste. Klaus Reese fügt hinzu: "Sie haben vielleicht schlechte Schulzeugnisse, aber eben auch Stärken und Potenziale, die wir gemeinsam herausarbeiten. Spätestens am Jahresende sind sie alle richtig fitte Leute, die ihren Weg machen."

Anerkennung und Perspektiven sucht auch Florian Kanisch. Der 23-Jährige hat den Realschulabschluss in der Tasche, machte viele Praktika, absolvierte Bewerbungstrainings. Schließlich landete er bei einer Zeitarbeitsfirma. "Da ich nur Absagen auf meine Bewerbungen erhielt, bin ich zu der Zeitarbeitsfirma gegangen. Das hat mich auf Dauer aber nicht glücklich gemacht", sagt Florian Kanisch. Das Jobcenter vermittelte ihn schließlich an die Möbelkiste, wo er seit März arbeitet. "Ich finde das Bewerbungstraining hier viel positiver als alle, die ich bislang gemacht habe. Mein nächstes Ziel ist eine Ausbildung zum Masseur." Auch Natalie Dombowski, 29 Jahre alt und junge Mutter eines fünf jährigen Kindes, ist froh, bei der Möbelkiste zu arbeiten. "Ich kann um neun Uhr anfangen zu arbeiten und vorher mein Kind in den Kindergarten bringen." Außerdem sei ihr das Projektteam eine große Hilfe bei der Erstellung von Anträge auf Kinder- und Arbeitslosengeld.

Besonders gut gefällt beiden das Bildungsangebot in der Möbelkiste. "Wir können an Workshops in Kleingruppen Teilnehmen, hatten ein Fahrsicherheitstraining, ich habe meinen Erste-Hilfe-Schein gemacht und immer sinnvolle Tipps erhalten", sagt Florian Kanisch. Gemeinsam mit Natalie ist er für den Empfangsbereich im Verkaufsladen zuständig. Die beiden beraten Kunden, nehmen Telefongespräche an und erstellen Transportpläne. "Beide machen ihren Job sehr gut", sagt Klaus Reese.

Finanziert wird das Projekt unter anderem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Deutschland, die jährlich neu beantragt werden müssen. "Wir hoffen auf eine Bewilligung für 2013 und auf genügend Teilnehmer", sagt Fritz Sawosky, Vorstand des Vereins Hamburger Kinder- und Jugendhilfe. Die Bilanz nach eineinhalb Jahren spricht für die gute Arbeit vor Ort und gute Kontakte zur heimischen Wirtschaft. Zuletzt begannen drei Jugendliche bei der Firma Küchen aktuell eine Ausbildung zur Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice. Ausbildungsleiter Mike Fülling ist zufrieden mit der Leistung einer Schützlinge: "Das klappt ausgezeichnet. Alle zeigen großes Engagement und bringen das nötige Rückgrat für den Job und eine berufliche Perspektive mit."