Erntedankmesse am Sonntag erinnert an die Kirchenbrände der Jahre 2003 und 2009

Over. Wenn am Sonntag um 15 Uhr das Erntedankfest im Seevetaler Gemeindeteil Over gefeiert wird, ist die Verbindung des Ortes in Sichtweite des Elbufers mit den Grundelementen Wasser, Luft und Erde offensichtlich. Doch auch das vierte Grundelement Feuer hat in der Geschichte der 60 Jahre alten Kapelle einen festen Platz. Bereits dreimal hat ein unbekannter Brandstifter versucht, das Gotteshaus zu vernichten. Der Täter ist nach Angaben der zuständigen Lüneburger Staatsanwältin Angelika Klee noch nicht gefasst.

Wie berichtet, stand die Kirche am Alten Elbdeich zuletzt Mitte November 2009 lichterloh in Flammen. Dabei wurde der reetgedeckte Dachstuhl komplett vernichtet. Bereits im Frühjahr 2003 war die Kirche bei einem Feuer schwer beschädigt worden. Am Sonntag, 27. September 2009, um 5.32 Uhr wurden die Einsatzkräfte der Feuerwehren Over, Bullenhausen und Meckelfeld zum bislang folgenschwersten Brand in der kleinen Kirche gerufen. Nach Angaben der Polizei war das Reetdach von außen angezündet worden. Die Ermittler gehen in allen drei Fällen von Brandstiftung aus.

Nach Abschluss der Reparaturarbeiten wurde die Kapelle jeweils am Erntedankfest der Jahre 2003 und 2010 wieder eingeweiht. In dem traditionell mit herbstlichen Feldfrüchten geschmückten Gotteshaus hielt Pastor Peter Schwarz eine Woche nach dem Brand vor drei Jahren die Messe von einer Drehleiter aus. "Erntedank ist zwar nicht der Geburtstag unserer Kirche, aber der Feiertag unserer Gemeinde", sagt der 53-Jährige. "Im Vergleich mit den tragischen Ereignissen der drei Brände in den vergangenen neun Jahren, waren die Jahre bis zum 50-jährigen Jubiläum 2002 eher unspektakulär", so der Pastor weiter.

Das erst sechs Jahrzehnte alte Zentrum der evangelischen Christen in Over und Bullenhausen, die zuvor zur Sankt-Mauritius-Kirchengemeinde gehörten und im benachbarten Hittfeld bestattet wurden, entstand mit dem neu angelegten Friedhof am Alten Elbdeich in Over. "1952 hatte die Kirchengemeinde 12 000 D-Mark mit dem Verkauf von Familiengräbern eingenommen", sagt Schwarz' Pastorenkollege Bernd Abesser. "Das reichte zwar nicht für eine Kirche wie sie zwei Jahre später in Meckelfeld gebaut wurde, aber für eine Kapelle neben den Gräbern." Leisten konnte sich die Gemeinde nur ein für damalige Verhältnisse unauffälliges Gebäude in traditioneller Bauweise. Besonders bescheiden wirkt die damals investierte Summe im Vergleich mit heutigen Baukosten: Die Renovierung kostete in Euro-Beträge umgerechnet etwa das 40-Fache.

"Ich finde es schön, dass das Thema Tod mit dem benachbarten Friedhof nicht ausgelagert, sondern immer präsent ist", sagt Pastor Abesser. "Mit diesem Raum verbinden die Menschen viele Emotionen aus der ganzen Spanne des Lebens." Sie hätten in der etwa 180 Quadratmeter großen, zunächst nur als Friedhofskapelle gedachten Kirche bei Beerdigungen um ihre Angehörigen und Freunde getrauert, bei Taufen über Babyschreie gelacht und bei Hochzeiten vor Freude geweint. "Ihre Mauern haben unzählige Gebete aufgenommen", so der 58 Jahre alte Pastor weiter. "Inzwischen ist das Schmuckstück daher weit mehr als die gute Stube der Gemeindemitglieder."

Zur Feier des Kapellenbaus vor 60 Jahren erwarten Schwarz und Abesser bei der Erntedankfeier mit anschließendem gemeinsamem Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag ein volles Gotteshaus. Die 120 Sitzplätze im Innenraum und weiteren 90 auf der Empore sind an üblichen Sonntagen nur spärlich besetzt. Besonders leer bleibt die Kirche in der Ferienzeit. "Dann sitzen wir einfach auf Stühlen im Kreis vor dem Altar ", sagt Pastor Schwarz. Um Radtouristen bei ihrer Tour an der Elbe zur Einkehr in die Kapelle einladen zu können, plant er den Aufbau eines Betreuerteams. Zu sehen bekommen Gäste im einzigen reetgedeckten Sakralgebäude im Landkreis Harburg moderne Fensterbilder des Glaskünstlers Thomas Kuzio, die wie durch ein Wunder von Brandschäden verschont blieben.