Stelle. Verwaltungsgericht Lüneburg gibt berufstätigem Elternpaar aus Stelle-Fliegenberg Recht

Die Zweitklässlerin Jula C. bekommt ihre 34,82 Euro teure Monatskarte für den Öffentlichen Personennahverkehr in ihrer Heimatgemeinde Stelle erstattet, obwohl sie nur wenige Hundert Meter von der nächsten Grundschule entfernt wohnt. Eigentlich gibt es nach dem Niedersächsischen Schulgesetz eine Mindestentfernung für Erst- bis Viertklässler von zwei Kilometern. Doch Julas Eltern haben ihre Tochter vor einem Jahr nicht an der Außenstelle der Steller Grundschule in ihrem Heimatort Fliegenberg angemeldet, sondern am sechs Kilometer entfernten Haupthaus am Büllerberg.

Im September vorigen Jahres zog Julas Vater vor Gericht, weil der Landkreis Harburg die von ihm geltend gemachten Fahrtkosten nicht übernehmen wollte. "Ich fand es merkwürdig, dass es einerseits zwar keine Schulbezirke gibt, andererseits aber die Regeln für Fahrtkostenerstattung nicht für alle Schulstandorte gelten sollen", sagt er. Der Rechtsanwalt in einer Schneverdingener Kanzlei ist ebenso wie seine Ehefrau, die als Lehrerin an der Grundschule Garstedt arbeitet, in Vollzeit beschäftigt. Daher sei er auf das Nachmittagsangebot der Grundschule am Büllerberg angewiesen, wo es eine Hortbetreuung gibt.

Richterin Regina Preßler-Elsing gab bei der Verhandlung des Streits vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg Mitte September dem Kläger Recht. "Für die Schülerbeförderung ist nicht der Weg von der Haustür des Schülers bis zum nächstgelegenen Schulgebäude maßgeblich", heißt es in ihrer Urteilsbegründung. "Vielmehr kommt es allein darauf an, welches Schulgebäude der Schüler tatsächlich besucht." Anders wäre der Fall zu bewerten gewesen, wenn die Gemeinde für die Haupt- beziehungsweise Außenstelle der Grundschule feste Schulbezirke bestimmt hätte. Richterin Preßler-Elsing: "Wird kein jeweils eigener Schulbezirk festgelegt, so ist der Fall so zu behandeln, als bestünde ein gemeinsamer einheitlicher Schulbezirk für beide Schulstandorte, denn es gibt rechtlich gesehen nur eine einzige Schule."

Gegen das Urteil der Lüneburger Richterin kann das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung zulassen. Ob der Landkreis Harburg Rechtmittel einlegt, wird von der Verwaltung derzeit noch geprüft. "Für uns handelt es sich bislang um einen Einzelfall", sagt Bernhard Frosdorfer, Sprecher der Winsener Kreisverwaltung. Wolfgang Siebert vom Lüneburger Verwaltungsgericht sieht in dem Urteil dagegen eine "Entscheidung mit Breitenwirkung". Einerseits könne sich der Kläger auch für die drei weiteren Grundschuljahre seiner Tochter auf den Urteilsspruch berufen. Außerdem sieht der Gerichtssprecher eine Anspruchsgrundlage für weitere Kinder aus Fliegenberg, die zur Grundschule am Büllerberg gehen.

Damit Kinder und Karriere auch für Eltern im Steller Gemeindeteil Fliegenberg künftig besser miteinander zu vereinbaren sind, plant die Grundschule am Büllerberg derzeit eine so genannte Flexi-Gruppe im Schulgebäude an der Straße Fliegenberg 54.