Unternehmen und Behörden handeln Kompromiss aus, um den Totalabriss des markanten Harburger Schornsteins zu verhindern

Harburg. Obwohl er nach gut 90-jähriger Standzeit inzwischen erhebliche Baumängel aufweist, soll der 75 Meter hohe Schornstein auf dem Gelände der Phoenix Werke an der Hannoverschen Straße nicht komplett abgerissen, sondern lediglich um zwölf Meter gekürzt werden. Auch der in Höhe von 30 bis 38 Meter rund um den Schornstein gebaute blau-weiße Wassertank mit der Aufschrift "Phoenix", der ebenfalls technische Mängel hat, soll erhalten bleiben.

Der Harburger ContiTech-Werksleiter Peter Scholtissek erläuterte in der Sitzung des Harburger Stadtplanungsausschusses den in mehr als einjähriger Verhandlungszeit mit Behördenvertretern ausgehandelten Kompromiss. Gutachten hatten die Schäden an Schornstein und Wassertank belegt. Auf Fotos waren ausgebrochene Ziegel und Fugen im inneren wie im äußeren Bereich des Bauwerks zu sehen. Scholtissek erklärte, dass inzwischen auch Risse im Beton des oberen Schornstein-Ringbalkens festgestellt worden seien. Beim Wassertank gibt es Mängel an Stahl und Rohrleitungen.

Eigentlich könne das Werk nach den Worten Scholtisseks komplett auf den Schornstein verzichten. Baurechtlich wäre stattdessen ein pflegeleichter Edelstahlschlot zulässig, der lediglich drei Meter höher als die Dächer der Umgebung sein müsse. Und die Aufgabe des Wassertanks, der heute noch benutzt wird und für einen gleichmäßigen Wasserdruck in den Leitungen des Industriebetriebs sorgt, könnten heutzutage elektronisch geregelte Pumpen übernehmen.

Aber als Anfang vergangenen Jahres von ContiTech beim Bezirksamt der Antrag gestellt worden war, den Schlot abzureißen oder ihn - das Kompromissangebot vom Unternehmen lag ebenfalls vor - um 15 Meter zu kürzen, erregten sich in Harburg die Gemüter von Bürgern und Kommunalpolitikern. Und auch die Denkmalschützer in der Kulturbehörde wollten den Schornstein als Wahrzeichen des Industriestandorts Harburg erhalten wissen.

Nun sieht der endgültige Kompromiss nicht die Kürzung um 15, sondern nur um zwölf Meter vor. Und die Mitglieder des Stadtplanungsausschusses, mit Ausnahme von Grünen und Linken, stimmten dem Antrag zu. Ronald Preuß und Daniel Völkoi (Grüne) hatten vor einem Beschluss einen Blick in die Gutachten gewünscht.

Mit der Kürzung des Schlots und der anschließenden Sanierung von Mauerwerk und Wassertank wird nach den Worten Scholtisseks voraussichtlich im kommenden Frühjahr begonnen werden können. Und auf die Frage des Ausschussvorsitzenden Muammer Kazanci (SPD), ob der Schornstein nach der Sanierung in etwa 20 Jahren wieder kaputt sein werde und dann abgerissen werden müsse, sagte Scholtissek: "Wir werden ihn so sanieren, dass er auch in 20 Jahren noch steht."

Nach der Sanierung des Schornsteins sei es doch denkbar, den Schlot als Minarett für die Gebetsaufrufe an eine islamische Gemeinde abzugeben, warf Ausschussmitglied Jürgen Duenbostel (Linke) als Vorschlag in die Runde. Doch kaum ausgesprochen, erntete er von allen anderen Ausschussmitgliedern nur Kopfschütteln. Rainer Bliefernicht (CDU): "Das kann nicht ernst gemeint sein." Manfred Schulz (SPD): "Das macht mich fast sprachlos." Und Phoenix-Werksleiter Scholtissek sagte: "Wir können doch keine Unbefugten auf unser Werksgelände lassen."

Die Phoenix Compounding Technology beschäftigt nach den Worten Scholtisseks in Harburg rund 800 Mitarbeiter, weitere 800 Mitarbeiter bei Phoenix Dichtungssystemen und Vibracoustic. Die Wurzeln des Phoenix Werks reichen bis ins Jahr 1856 zurück. Albert und Louis Cohen, Söhne einer jüdischen Hamburger Bankiersfamilie, hatten in Frankreich Erfahrungen mit der Kolonialware Kautschuk gesammelt. In Harburg ließen sie zunächst eine Schuhfabrik bauen. 2004 war Phoenix vom Konkurrenten Continental übernommen worden, und kam 2007 unter das Dach der Tochter ContiTech.