Genossen der Partei müssen Senatsentscheidungen ausbaden, trauen sich aber nur zaghaft, öffentlich Kritik zu äußern.

Harburg. Die Harburger SPD steht vor der Zerreißprobe. Noch ist die Partei nach zehn Jahren Oppositionsarbeit in der Harburger Bezirksversammlung dabei, sich an die Arbeit mit einer absoluten Mehrheit in Senat und Bezirk zu gewöhnen, da prasselt aus dem Senat eine Hiobsbotschaft nach der anderen auf den Bezirk südlich der Elbe ein. Und der Harburger SPD sind zumindest in der Öffentlichkeit die Hände gebunden. Denn kaum etwas schadet einer Partei mehr, als wenn sie den eigenen Senat öffentlich an den Pranger stellt.

Die beiden aktuellen Pläne des Senats sind wirkliche Schläge ins Kontor des Harburger SPD Kreisverbandes: Ab Ende des Jahres werden drei ehemalige Sicherungsverwahrte in Moorburg untergebracht. Außerdem soll jährlich rund eine Million Euro weniger in den Ausbau des Harburger Binnenhafens fließen. Die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne für den Binnenhafen, das Pendant zur Hafencity, würde sich damit um etwa 18 Jahre verschieben. Und den Harburger Genossen bleibt kaum etwas anderes übrig, als auf der politischen Bühne gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Und hinter den Kulissen zu retten, was zu retten ist.

Jüngst ist einem der altgedienten Genossen der Kragen geplatzt. Harburgs langjähriger SPD-Kreischef und Abgeordneter der Bezirksversammlung, Harald Muras, warf dem Staatsrat der Hamburger Justizbehörde, Ralf Kleindiek, nach der Sitzung der Bezirksversammlung vor: "Ihr zertrümmert die Harburger SPD." Das sei der spontanen Wut geschuldet, so Muras einen Tag nach der Sitzung, in der Kleindiek zum wiederholten Mal den Harburgern erklären wollte, warum aus Sicht des Senats nun ausgerechnet Moorburg der richtige Standort für die Unterbringung der drei ehemaligen Sicherungsverwahrten sei. Und dass der Senat nicht im Geringsten daran denke, von seiner Entscheidung abzurücken, sehr wohl aber bereit sei, mit den Moorburgern im Dialog zu bleiben.

Dass der Moorburger Elbdeich der richtige und einzig denkbare Standort sein soll, wird nicht nur von der Opposition vehement bestritten, sondern führt auch innerhalb der SPD zu Auseinandersetzungen.

Muras, das ehemalige Fraktionsmitglied, musste sich in der Sitzung von den Zuschauerplätzen aus anhören, wie seine Genossen von CDU und Grünen mit Spott überzogen wurden und als "senatshörig" tituliert wurden. Einen Tag nach der Sitzung mildert Muras seinen Ausspruch etwas ab. "Dieser Umgang mit der SPD im Bezirk Harburg ist nicht in Ordnung. Das ist Politik à la Schröder. Es geht nicht an, dass ein derart schwieriger und komplizierter Vorgang im Eilverfahren den Leuten vor Ort als vollzogene Entscheidung präsentiert wird." Dieses Vorgehen sei demütigend für die Harburger SPD, die immerhin nicht unbeteiligt an der Mehrheitsbeschaffung bei der Hamburger Wahl gewesen sei, so Muras.

Die SPD hatte in der Bezirksversammlung mit ihrem Antrag zu Moorburg dafür gesorgt, dass das Thema an den Sozialausschuss abgegeben wird. Ein klares politisches Nein zu der Unterbringung in Moorburg konnten sich die Genossen nicht abringen.

Der Antrag, so ein SPD-Mitglied, sei fraktionsintern "überaus heftig umstritten" gewesen. Einige SPD-Bezirkspolitiker hätten sich eine klarere Positionierung ihrer Fraktion gewünscht.

Besonders hart trifft die Senatsentscheidung Abgeordnete wie Sören Schinkel, der sich als Moorburger gar nicht über seine neuen Nachbarn freut. Nicht nur für Moorburg sei das ein Desaster, auch für die drei Männer sehe er in Moorburg keine Chance auf Resozialisierung. "Ich bin entsetzt über diese Entscheidung, und ich habe ernsthaft Angst, dass diese Entscheidung das Dorf Moorburg zerbricht", so Schinkel. Der SPD-Politiker, der am Moorburger Elbdeich lebt, sagt, er werde sich dafür einsetzen, dass die Senatsentscheidung abgeändert werde, beispielsweise in eine zeitlich begrenzte Unterbringung. Auch Schinkel ist der Meinung, die SPD müsse erst noch lernen, mit der absoluten Mehrheit umzugehen.

Die Hiobsbotschaften aus dem Hamburger Rathaus treffen die Genossen südlich der Elbe zudem zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Harburger SPD ist auch intern derzeit nicht in bester Verfassung. Da wäre zum Beispiel die Bundestagswahl 2013. Die Partei habe "es nicht leicht, einen Nachfolger für Hans-Ulrich Klose zu finden", sagt ein SPD-Mitglied. Noch sitzt Klose für den Wahlkreis Harburg/Bergedorf im Bundestag. Klose tritt nicht mehr zur Wahl im nächsten Jahr an. Jetzt hat die Harburger SPD zum ersten Mal drei Kandidaten, die für Harburg antreten wollen: Ingo Egloff, Frank Richter und Metin Hakverdi.

Und an SPD-Kreischef Frank Richter scheiden sich die Geister. Die einen attestieren ihm, dass es ihm gelungen sei, eine zerstrittene SPD wieder zusammenzuführen. Anderen vertreten hingegen die Auffassung, Richter sei bei der jüngsten Wahl zum Kreischef "mit einer nur sehr knappen Mehrheit, nämlich mit 40 von 77 Stimmen ohne Gegenkandidat, schwer beschädigt worden", wie ein Harburger SPD-Mitglied formuliert.