Jugendhilfeausschuss bringt Antrag des Bezirksamts zu Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit zu Fall

Harburg. Wenn die Harburger Bezirksversammlung ab morgen in ihre Haushaltsberatungen für die Jahre 2013 und 2014 startet, wird es eine Empfehlung seitens des Jugendhilfeausschusses zu Kürzungen in Projekten der offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht geben. In einer Sondersitzung des Ausschusses am Freitag wurde der Antrag des Bezirksamtes zu den vom Senat geforderten Einsparungen in Höhe von 211 000 Euro abgelehnt.

"Das ist eine heftige Schlappe für die SPD", so das erste Fazit der Ausschussvorsitzenden Heinke Ehlers (Grüne). Die Sozialdemokraten hätten eine notwendige inhaltliche Diskussion unterbunden. "Außerdem konnten sie kein fachlich fundiertes Argument für ihre Streichliste anbringen."

Schlimmer noch: Der SPD-Antrag mit eigenen Kürzungs- und Finanzierungsvorschlägen schaffte es nicht einmal zur Abstimmung. Er ging gewissermaßen in einem veritablen Tohuwabohu, angeheizt durch hitzige Diskussionen um die Geschäftsordnung, der Priorität von Anträgen und der Frage, wer wann überhaupt abstimmen dürfe, regelrecht unter.

Im leidenschaftlich geführten verbalen Schlagabtausch mit der Opposition und den Vertretern der freien Träger hat die SPD-Abordnung offenbar die Orientierung verloren. Weil sie selbst dafür stimmte, dass der Antrag der Verwaltung als der "weitergehende" Vorrang erhielt, fiel der eigene praktisch unter den Tisch.

Als weiterer K.-o.-Faktor erwies sich die Tatsache, dass mit Hans-Jürgen Plate und Marianne Frommann gleich zwei Trägervertreter in der entscheidenden Abstimmung zu konkreten Mittelkürzungen für bestimmte Projekte (das Abendblatt berichtete) stimmberechtigt waren. Im Gegensatz zu fünf weiteren Vertretern, die wegen "Befangenheit" - die Streichliste tangierte ihre Projekte direkt oder zumindest mittelbar - nicht mit abstimmen durften. Dennoch hatte die SPD somit für ihre Pläne keine Majorität mehr und verlor endgültig das Heft des Handelns.

Grüne und die Linke werteten die Ablehnung des Antrags zur Streichliste des Bezirksamts in der offenen Kinder- und Jugendarbeit als "wichtigen Etappensieg" im Kampf um bedrohte Einrichtungen, von den Spielhäusern bis zum Rieckhof. "Das Argument, die Ganztagsschulen könnten alle wegfallenden Angebote kompensieren, ist fern jeglicher Realität", sagte Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Linken. So sehen das auch die Grünen. "Viele Projekte der freien Träger leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung junger Menschen jenseits des Schulalltags", so Heinke Ehlers. Beschneide man sie, könne eine Kooperation auf Augenhöhe nicht gelingen.

Einig ist sich die Opposition auch in der Ansicht, dass der SPD-Senat falsche Prioritäten setze. Es könne nicht sein, dass die "unsoziale Haushaltsstrategie" zuerst und vor allem die im doppelten Wortsinn "Kleinen" treffe.

Eine ambivalente Rolle spielt in der ganzen Diskussion die Harburger FDP. Zwar geißelt Carsten Schuster die Kürzung der Rahmenzuweisungen Jugendhilfe zum jetzigen Zeitpunkt als einen "schweren politischen Fehler". Kooperationen zwischen Schulen und freien Trägern seien bislang nur in sehr geringem Umfange umgesetzt worden. Auf dieser Basis sei eine bedarfsgerechte und sinnvolle Jugendhilfeplanung faktisch unmöglich. Auch die Liberalen befürchten, das Spardiktat des Senats werde zu einer Schwächung der "niedrigschwelligen und stark nachgefragten offenen Kinder- und Jugendarbeit im Bezirk" führen.

Dennoch hätte Schuster für den SPD-Antrag gestimmt. Begründet hat er das mit der Annahme, dass eine Ablehnung des Sparpakets dazu führen werde, dass dann vom Senat auch Mittel aus dem beabsichtigten Umsteuerungsfonds gestrichen werden könnten. Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann (SPD) zeigte sich nach dem Scheitern des Antrags der Verwaltung konsterniert. Das Votum des Ausschusses habe nun möglicherweise zur Folge, dass nach dem "Rasenmäher-Prinzip" alle Einzelposten pauschal um 10,3 Prozent gekürzt würden.

Für Heinke Ehlers könnte vom Ausgang des Harburger Jugendhilfeausschusses sogar eine Signalwirkung für die anderen Bezirke ausgehen. "Wir waren ja die ersten, die über das Sparpaket abstimmen mussten. Wenn das Schule macht, kommt der Senat vielleicht doch zur Einsicht, dass er mit seinen Prioritäten zur Haushaltskonsolidierung zum jetzigen Zeitpunkt falsch liegt."