Harburg. Blass und gesundheitlich angegriffen sitzt Philipp M. neben seinem Verteidiger. Im Amtsgericht Harburg wird gegen den 27-Jährigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei verhandelt. Er soll gestohlene Motorräder und Roller gekauft, in einer eigens gemieteten Halle teilweise umfrisiert und dann wieder verkauft haben.

Zehn einzelne Fälle wirft ihm der Staatsanwalt vor, für jede dieser Taten droht ihm eine Mindeststrafe von sechs Monaten. Der Angeklagte äußert sich nicht zu den Vorwürfen, sein Verteidiger verliest jedoch eine Erklärung. Darin gibt Philipp M. die Taten zu, es sei ihm dabei aber nicht in erster Linie ums Geldverdienen gegangen. Schließlich ergreift er doch selbst das Wort: "Meine Motorrad-Leidenschaft hat mich in diesen Sumpf hineingezogen, ich war verrückt danach, an den Dingern herumzuschrauben und sie zu frisieren. Ich nahm alles, was ich kriegen konnte, leider auch die gestohlenen Motorräder und Roller".

Als die Polizei ihm auf die Schliche kommt, findet sie in der Halle drei wenige Tage zuvor in Stade, Buxtehude und Hamburg gestohlene Motorräder. Anhand der Rahmen- und Motornummern kann das Diebesgut zweifelsfrei zugeordnet werden. Bei mehreren anderen Fahrzeugen sind die Nummern herausgefräst.

Die Motorrad-Leidenschaft wird Philipp M. kurz darauf endgültig zum Verhängnis. Bei einem Unfall erleidet er schwerste Verletzungen, unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Lungenriss und zahlreiche Knochenbrüche. Auf dem linken Auge hat er die Sehkraft eingebüßt, er kann nur unter heftigen Schmerzen gehen, steht immer noch unter starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln und ist zu 50 Prozent schwerbehindert. Allerdings hat er die Zusage für eine Umschulung zum Industriekaufmann. "Ich habe mit der Szene von früher komplett gebrochen und will mein Leben ganz neu ordnen", sagt er.

Wie soll das Gericht mit dem bisher unbestraften Angeklagten verfahren? Der Verteidiger regt eine Einstellung des Verfahrens an, doch der Staatsanwalt winkt sofort ab: "Zehn Fälle von gewerbsmäßiger Hehlerei sind dafür einige Nummern zu groß", so der Anklagevertreter. Er beantragt eine Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten - auf Bewährung, um dem Angeklagten die Zukunftsperspektive nicht zu verbauen. Das Urteil fällt noch milder aus: Ein Jahr auf Bewährung, Philipp M. muss sich der Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellen.