Schimmel, Müll, marode Fenster: Stadt gibt Eigentümer des Albert-Schweitzer-Quartiers sechs Monate Zeit, die Anlage instand zu setzen.

Winsen. Schimmel, Müll, marode Heizungen und Fenster - die Wohnhäuser im Winsener Albert-Schweitzer-Viertel sind eine Zumutung für die Bewohner und ein Schandfleck in der Stadt. Der Eigentümer, eine Immobilienfirma, lässt die Häuser seit Jahren verkommen. Nach wiederholten Aufforderungen, die ohne Ergebnis blieben, zieht die Stadt jetzt die Reißleine. Mit einem sogenannten Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot will sie durchsetzen, dass die Mängel innerhalb eines halben Jahres vom Eigentümer beseitigt werden - andernfalls wird auf dessen Kosten zwangssaniert.

+++++Die Stadt macht Druck auf Eigentümer+++++

"Wir sind einvernehmlich mit dem Eigentümer nicht weitergekommen", sagt Stadtsprecher Theodor Peters. "Aber an den Gebäuden muss dringend etwas getan werden." Deshalb hat der Verwaltungsausschuss nun die Fristsetzung beschlossen. In dem Schreiben, das diese Woche an die Firma Capricornus Investment, die ihren Sitz in Berlin hat, rausgegangen ist, ist von "erheblichen Missständen" die Rede. Die Wohnungen seien in einem schlechten baulichen Zustand und teilweise erheblich überbelegt, andere ständen leer. Der Innenbereich der Anlage sei wenig ansprechend gestaltet, es gebe ein Müllproblem und der Kinderspielplatz sei in schlechtem Zustand. Fazit: "Die Wohnungen bieten keine gesunden Lebens- und Wohnverhältnisse." Dazu kämen "gravierende soziale Probleme".

In der Wohnanlage aus den 70er-Jahren, ein Fremdkörper zwischen schmucken Einfamilien- und Reihenhäusern, wohnen fast nur Menschen, die von Sozialleistungen leben. Andere Mieter sind kaum bereit, in eine der 189 Wohnungen einzuziehen. Die Kriminalitätsrate ist auffällig hoch, vor allem Jugendliche leiden unter Perspektivlosigkeit. "Diese Missstände werden durch die Vernachlässigung der Wohnanlage und die einseitige Wohnungsbelegung verstärkt", heißt es in der Begründung der Stadt für das Gebot. "Der bauliche Zustand bedingt die soziale Situation." Eine Aufwertung der Anlage soll diesen Kreislauf durchbrechen.

In dem Viertel, das 2008 zum Sanierungsgebiet erklärt wurde und durch das Programm Soziale Stadt gefördert wird, setzt sich seit drei Jahren Quartiersmanager Sven Dunker für ein lebenswerteres Umfeld ein. "Zurzeit herrschen dort krank machende Wohnverhältnisse, das ist nicht hinzunehmen", sagt er. Nicht nur die Mieter hätten einen Anspruch auf Verbesserung. Auch sei die Stadt dafür verantwortlich, dass das Geld der Steuerzahler, mit dem die meisten Mieten hier bezahlt werden, nicht an einen Spekulanten fließe, der nur auf die Rendite schaue. Das Sanierungsgebot sei ein wichtiges Signal. "Wenn die Bewohner mit ihrem Frust allein gelassen werden, kann die Siedlung zu einem Pulverfass werden."

"Wer hier wohnt, ist abgestempelt", sagt Thomas Gröger. Der 51-Jährige wohnt in einer Wohnung, die vom Vormieter renoviert wurde und deshalb zu den besseren gehört. Doch die Zustände in vielen anderen Breichen der Anlage seien katastrophal. Dazu tragen aus seiner Sicht auch einige der Bewohner bei. So werde Sperrmüll einfach aus den Fenstern geworfen und im Treppenhaus kämen die Putzfrauen kaum gegen herumliegenden Müll und Schmierereien an. "Es wäre gut, wenn man sich hier wohler fühlen könnte", sagt Gröger. "Es fehlt an allen Ecken und Kanten, eine Renovierung ist total überfällig."

Die Liste der Mängel ist lang, bereits 2004 wurde ein erheblicher Reparaturstau festgestellt, 2009 führte ein Gutachten Feuchtigkeitsschäden, Schimmelpilz, defekte Fenster und ein undichtes Dach auf. Maßgeblich stützt sich die Stadt jetzt auf ein Gutachten, das der Architekt Klaus Giffey im vergangenen Jahr für die Stadt erstellte. Er stellte einen "erheblichen Instandsetzungsstau" fest. Allein für die dringendsten Arbeiten werden die Kosten auf 1,9 Millionen Euro geschätzt.

Diese Summe wird die Stadt von der Firma Capricornus im Voraus einfordern, sollte in den kommenden sechs Monaten nichts geschehen - womit die Stadt offenbar rechnet. "Auf freiwilliger Basis sind Sie ganz offensichtlich zu den notwendigen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht bereit", heißt es in dem Schreiben an das Unternehmen. "Bevor sich die Situation durch Ihre Untätigkeit weiter verschlechtert, ist deshalb ein städtebauliches Gebot unumgänglich."

Ein überfälliger Schritt, meint Erhard Schäfer, Grünen-Fraktionschef im Stadtrat und Mitglied im Planungsausschuss. Er bedauert, dass die Mieter nun noch einen Winter in feuchten, kalten Wohnungen verbringen müssen. Denn dass der Eigentümer innerhalb der Frist einlenkt, davon geht Schäfer nicht aus. Er zweifelt auch, dass die Stadt das Geld eintreiben wird können. "Aber wir haben hier ein Sanierungsgebiet festgelegt, da greifen auch öffentliche Interessen." Die Stadt müsse in jedem Fall die Sanierung durchsetzen. "Da sind wir in der Pflicht."

Die Grünen hatten bereits im Juni 2011 im Stadtrat ein Modernisierungsgebot beantragt. Der Rat sprach sich daraufhin einstimmig für diesen Schritt aus. "Ich begrüße es, dass die Stadt immer wieder versucht hat, im Dialog mit dem Eigentümer eine Lösung zu finden. Aber da es bisher keine Verbesserungen gegeben hat, ist es gut, dass das Gebot jetzt kommt", sagt Cornell Babendererde, die im Planungsausschuss die CDU vertritt. Finanziell solle die Stadt aber kein Risiko eingehen. Babendererde warnt auch davor, alle Bewohner des Quartiers über einen Kamm zu scheren. "Aber die Zustände in der Wohnanlage sind nicht haltbar." Am Montag, 17. September, stellt die Verwaltung den aktuellen Stand der Dinge im Planungsausschuss vor. Die Sitzung beginnt um 17.30 Uhr im Marstall am Schlossplatz.