Malerin Brigitte Kranich aus Toppenstedt gibt Teile ihres Lebenswerks an ein Märchenmuseum und die Hannoversche Bibelgesellschaft.

Toppenstedt. Das Anwesen der Malerin Brigitte Kranich in Toppenstedt hat etwas Verwunschenes, Märchenhaftes. Zwischen zwei reetgedeckten Fachwerkhäusern erstreckt sich ein weitgehend naturbelassener Garten mit alten Obstbäumen und verborgenen Winkeln. Ein idyllisches Reich, das die 79-Jährige nach eigenem Bekunden nicht nur mit ihrem Kater Griesegrau, sondern auch mit einem Marder, einer Eule, einem Igel, Mäusen, Spinnen, Käfern, Vögeln und Schmetterlingen teilt.

Härter könnte der Kontrast zur unweit tosenden A 7 kaum sein. Dass dieses Refugium Brigitte Kranich immer wieder zur Beschäftigung mit Märchen und Fabeln animiert hat, scheint folgerichtig. So entstanden seit 1973 allein 100 Bilder nur zu diesem Thema. "Es fasziniert mich aber auch deshalb, weil Märchen und Fabeln vom Leben anderer Völker und seltsamen Begegnungen erzählen - und voller Weisheit stecken", sagt die Künstlerin. Vor allem den Märchen der Brüder Grimm hat sie sich gewidmet. Doch auch jenen des Dänen Hans Christian Andersen. Ab 1981 folgten überdies 60 Werke zu den Fabeln von Aesop.

Daran erfreuen können sich künftig vor allem die Besucher des Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseums in Bad Oeynhausen. Der Einrichtung hat sie diesen Teil ihres Lebenswerks nämlich am vergangenen Wochenende feierlich übergeben. In einer ihr gewidmeten Ausstellung werden bis zum 13. Januar nächsten Jahres 51 Bilder zu sehen sein, die einen repräsentativen Querschnitt ihres Schaffens zeigen.

Museumschefin Hanna Dose zeigte sich hoch erfreut über die Schenkung. Kranichs Bilder seien weit davon entfernt, nur Märchenillustrationen zu sein. Die Künstlerin versuche, die Essenz einer Geschichte einzufangen und die Chronologie in eine andere Dimension zu setzen. "Brigitte Kranich stapelt in ein Bild verschiedene Szenen eines Märchens hinein", sagt Dose.

Das ist durchaus wörtlich gemeint. Denn die in Bublitz, einer Kleinstadt in Hinterpommern, geborene Malerin bedient sich in ihren Werken zumeist der äußerst aufwendigen Technik des Li-noldrucks. Dabei werden aus Linoleum oft mehrere Druckstöcke mit verschiedenen Motiven geschnitten. Mit Ölfarbe versehen, erfolgen dann mehrere Abdrücke auf ein und demselben Bogen, dessen Fertigstellung bis zu 24 Stunden dauern kann. Dabei nutzt Brigitte Kranich spezielles Papier, das sie extra aus Japan bezieht.

Angeregt wurde sie zu dieser Technik übrigens durch den Besuch einer Ausstellung mit Linoldrucken Picassos Anfang der 50er-Jahre in Hamburg. "Brigitte Kranich begann dort, wo Picasso aufgehört hat", befand Malerkollege Prof. Herbert Kessler 1993. Hätten sich Picassos Linoldrucke noch monochrom und strukturlos gezeigt, so blühten die Werke Kranichs in einer Fülle leuchtender Farben. Weil sie statt der üblichen Linoldruckfarben Ölfarben bester Qualität verwende. "Das erneute Überdrucken ausgewählter Flächen ergibt ein reiches Farbenspiel", so Kessler, es entstünden "lebhafte Strukturen". Weil jedes Blatt ohne Presse handgedruckt werde, sei jedes Bild zudem ein nicht wiederholbares Unikat.

Für die Kunstfertigkeit Brigitte Kranichs spricht auch, dass die Mutter einer Tochter nach dem frühen Tod ihres Mannes seit 1972 vom Verkauf ihrer Werke leben konnte. Der ersten eigenen Schau in Winsen folgten Ausstellungen weltweit, darunter in den USA, in Südkorea und in Namibia. 1976 erhielt sie den ersten Staatsauftrag. Für das Land Niedersachen malte sie sieben Bilder aus der Geschichte Lüneburgs, unter anderem den "Alten Kran". Später entstanden dann auch zwölf runde Märchenbilder für die Kinderabteilung des Landeskrankenhauses in Lüneburg.

Eine andere bedeutende Facette im Schaffen der äußerst produktiven Künstlerin sind 150 Bilder zum Alten Testament. Auch von diesem Fundus, der zwischen 1978 und 2000 entstand, hat sie sich inzwischen getrennt: Anfang dieser Woche unterzeichnete Brigitte Kranich in ihrem 175 Jahre altem Haus im Landkreis Harburg einen Schenkungsvertrag mit der Hannoverschen Bibelgesellschaft.

"Wir sind außerordentlich stolz und glücklich, dass wir die vielseitig ausdeutbaren Werke für unsere religionspädagogische Arbeit bekommen konnten", sagt Jürgen Schönwitz, Geschäftsführer des Vereins. Über die farbenfrohen Bilder voller Symbolik sollen insbesondere Konfirmanden einen besseren Zugang zum "Buch der Bücher" finden. Angedacht sei aber auch eine Ausleihe. So habe es bereits eine sehr konkrete Anfrage der Universität in Göppingen gegeben, die mit einigen ausgewählten Bildern die Lehre bereichern will.

Brigitte Kranich ist froh, dass Teile ihres Lebenswerks auf diese Weise präsent bleiben werden. "Das schönste Kompliment für meine Arbeit bleibt aber, wenn Menschen sagen, dass sie von meinen Bildern berührt sind."