Im Rentenalter nach Thailand: Weil ihr in Buxtehude Altersarmut drohte, entschied sich Rentnerin Ute Schultz nach Südostasien zu ziehen.

Chiang Mai/Buxtehude. Wirklich sesshaft war Ute Schultz nie. Zwölfmal, vielleicht auch dreizehnmal ist die 62-Jährige in ihrem Leben schon umgezogen. Dass es jetzt Thailand geworden ist, könnte man fast als Zufall bezeichnen. Es hätte auch Indien sein können, Nordafrika oder Südamerika. Nur weg aus Deutschland, das wollte sie schon lange. "Ich habe knapp 900 Euro Rente", stellt Ute Schultz nüchtern fest. Als wolle sie mit diesem Satz klarmachen: Und das ist in diesem Land zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.

Vor einem Jahr hat sie ihrer alten Heimat Buxtehude den Rücken gekehrt und ist mit vier Kartons und zwei Koffern nach Thailand gezogen. Wobei Heimat für Buxtehude eigentlich gar nicht der treffende Ausdruck ist, denn in der Stadt hat Ute Schultz nur knapp sieben Jahre gelebt. Dennoch war es dort, in ihrer winzigen 30-Quadratmeter-Wohnung, Monatsmiete 380 Euro, wo in ihr der Entschluss reifte, unter ihr altes Leben in Deutschland einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen und einen Neuanfang in Thailand zu wagen.

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Dass dort tatsächlich häufiger als im trüben Deutschland die Sonne scheint, war nur einer der Gründe für ihren Umzug. Die günstigeren Lebenshaltungskosten waren das wichtigste Argument für sie. "In den Jahren in Buxtehude war ich nicht einmal in Hagenbecks Tierpark", sagt die gelernte Hotelkauffrau, die später eine Umschulung zur Industriekauffrau machte. Der Eintritt war für ihre schmale Erwerbsunfähigkeitsrente einfach zu hoch. Was sollte sie also in einem Land halten, in dem ihr nur die Altersarmut drohte?

Eine klassische Auswanderin, wie man sie aus den einschlägigen Fernsehserien kennt, ist Ute Schultz dennoch nicht. Dass sie in ihrem Alter und noch dazu völlig allein einen solchen großen Schritt wagt, ist eher eine Seltenheit - und war für den NDR Anlass genug, über sie eine zweiteilige Fernsehdokumentation zu drehen. "Nach den Sendungen haben sich viele Leute gemeldet", erzählt sie. Die sagten ihr, wie toll sie es fänden, was sie gewagt habe. Und auch ihre Freunde und Bekannte in Deutschland bewunderten ihren Mut.

Dabei hat es das Leben nicht immer gut mit ihr gemeint. Zwei gescheiterte Ehen hat Ute Schultz hinter sich, eine davon mit einem Inder, zu dem sie noch Kontakt hat. Über ihn lernte sie Asien kennen und lieben. "Eigentlich war es mein großer Wunsch, nach Indien zu ziehen", sagt sie. Doch weil sie in dem Land kein Visum für einen Daueraufenthalt bekam, sah sie von diesem Plan ab. Sie schaute sich einige Länder Nordafrikas und Südamerikas im Internet näher an, verwarf die Pläne aber wieder. Am Ende fiel ihre Wahl auf Thailand.

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Auch gesundheitlich stand es mit ihr nicht immer zum Besten. Zwölf Operationen hat Ute Schultz hinter sich gebracht, sie litt unter anderem an Rheuma, hatte Bandscheibenvorfälle und überstand einen schweren Auto- und zwei Stromunfälle. Ständige Schmerzen gehörten zu ihrem Alltag, sie fühlte sich, als zwänge ein Panzer ihren Körper ein, der es bis auf 120 Kilo Gewicht brachte.

Dass viele dieser Leiden seit ihrem Umzug nach Thailand Geschichte sind, ist für die Mutter eines erwachsenen Sohnes, zu dem sie schon seit langem nur noch sporadisch Kontakt hat, wie ein Wunder. Auch hat sie knapp 30 Kilogramm verloren. Zu verdanken habe sie das vor allem einer Gesundheitstherapeutin, die sie mithilfe spezieller Massagen und Ayurveda-Behandlungen zu einem neuen Menschen gemacht habe. Für Ute Schultz ist diese Frau wie ein Märchenwesen mit Zauberhänden.

In einem knapp 200 Quadratmeter großen Haus nahe Chiang Mai führt sie nun das Leben, das sie um kein Geld der Welt wieder gegen ein anderes eintauschen möchte. "Ich lebe bescheiden, nur darf eben nichts Schwerwiegendes passieren", sagt sie. Denn sie weiß, dass auch Thailand kein Land ist, in dem Milch und Honig fließen. Die Miete für das Haus beträgt umgerechnet knapp 350 Euro, je nachdem, wie der Wechselkurs steht. Ein Mitbewohner ist deshalb durchaus willkommen und hätte auch genügend Platz, "nur muss es eben passen", umschreibt sie ihre Vorstellungen von einer Senioren-WG, die bisher aber nur Theorie sind. Zudem besitzt sie keine Auslandskrankenversicherung mehr. "Aufgrund meiner Vorerkrankungen ist eigentlich alles von denen ausgeschlossen", erklärt sie lapidar.

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Ute Schultz hat es sich angewöhnt, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und das Beste daraus zu machen. Fehlende Sprachkenntnisse in Thai? Macht nichts, so lange es mit Englisch funktioniert, ist alles in Ordnung, und für den Rest nimmt man eben Hände und Füße. Es gibt kaum passende Kleidung in ihrer Größe? Dann zieht man Strandkleidung an und funktioniert Nachthemden um. Alltägliche Dinge wie ein Zollstock sind partout nicht aufzutreiben? Kein Problem, dann sucht man etwas länger, irgendwann wird man schon fündig.

"Ich kann mich damit arrangieren, dass noch nicht alles so nach Plan läuft", sagt sie. Und wenn man dazu bereit sei und Geduld habe, seien die kleinen Widrigkeiten gar kein so großes Ding. Heimweh nach Deutschland, das macht sie klar, habe sie jedenfalls nie gehabt. Eine Rückkehr aus freien Stücken ist für sie deshalb ausgeschlossen. Wenn nur die Gesundheit mitspielt. Selbst nach ihrem Tod will sie nicht zurück, sondern kann sich vorstellen, in Thailand verbrannt zu werden. "Die Kosten hier sind weitaus geringer", sagt sie. Außerdem möchte sie ihrem Sohn keine Unsummen für ein Grab zumuten.