Gewaltspirale durchbrechen: Die Wanderausstellung “Rosenstraße 76“ bringt das Thema Häusliche Gewalt in die Berufsbildenden Schulen Buchholz.

Buchholz. "Rosenstraße 76". Der Name steht für Normalität, für die Adresse einer klassischen Familie, die dort scheinbar in trauter Eintracht lebt. Vermutlich gibt es in jeder Stadt eine Straße, die diesen Namen trägt. Eine nachgebaute Dreizimmerwohnung, wie es sie auch in dieser Straße geben könnte, ist der Schauplatz einer interaktiven Ausstellung, die den Namen "Rosenstraße 76" trägt und im November in den Berufsbildenden Schulen (BBS) Buchholz zu sehen sein wird. Sie setzt sich mit dem Thema "Häusliche Gewalt" auseinander - einem Thema, mit dem laut bundesweiter Studien jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren schon einmal zu tun hatte.

Die Dreizimmerwohnung in der Ausstellung soll dabei exemplarisch für Räume stehen, in denen nur nach außen hin Normalität herrscht. In Wahrheit aber ist hier die Gewalt zu Hause. Die Wohnung wird zu einem Ort, an dem ein Mann seine Frau schlägt, sexuell erniedrigt, vergewaltigt oder gar tötet. Anhand von 35 Informationsschildern an einzelnen Gegenständen können Besucher die Ursachen, Formen und Auswirkungen der Gewalt erkennen. Sie können Zimmertüren öffnen, in Schränke schauen oder technische Geräte benutzen. So erleben sie, wie die ganz normale Alltagsfassade nach und nach bröckelt.

+++ Netzwerk "Häusliche Gewalt" lädt zur Ausstellung ein +++

Der im Jahre 2004 gegründete Verein Gewalt überwinden, hinter dem unter anderem Vertreter von Polizei, Frauenhaus und kirchlichen Einrichtungen im Landkreis Harburg stehen, hat die Wanderausstellung nach Buchholz geholt, um eine breite Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. Konzipiert worden ist die Ausstellung vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschland und der Aktion Brot für die Welt. Vor allem Schulklassen aus dem gesamten Landkreis doch auch andere interessierte Gruppen können sich schon jetzt für Führungen anmelden. "Wir wollen mit dieser Ausstellung eine Tür aufmachen und zeigen, was die gesellschaftlichen Folgen von Gewalt sind und wie Prävention möglich ist", sagt Dorothea Blaffert, Vorsitzende des Vereins Gewalt überwinden und Pastorin in Klecken.

Dass auch der Landkreis Harburg kein weißer Fleck in der Landkarte der Gewalttaten ist, belegen die Zahlen, die Dörthe Heien, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Buchholz und zugleich Ansprechpartnerin der Beratungs- und Interventionsstelle (BISS) im Landkreis Harburg, vorlegt. 250 Fälle von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, seien ihr aktuell bekannt. In manchen Fällen hätten sich die Frauen selbst bei ihr gemeldet, von anderen habe sie über die Polizei erfahren. Einige der Frauen trennen sich von ihrem Mann und finden beispielsweise im Frauenhaus Unterschlupf, andere bleiben jedoch bei ihrem Partner und wollen die Tat nicht wahrhaben.

Genau hier setzt die Arbeit des Vereins ein, der Frauen zeigen will, dass sie das Problem nicht verdrängen, sondern enttabuisieren müssen. "Sobald sich jemand meldet, gibt es bei uns Hilfe", sagt Dorothea Blaffert. Die BISS organisiert eine individuelle Sicherheitsplanung, vermittelt bei Bedarf an andere soziale Einrichtungen und arbeitet eng mit Polizei und Justiz zusammen. Häusliche Gewalt sei eine Straftat, das wollten sowohl Opfer als auch Täter häufig nicht wahrhaben, sagt sie.

+++ Ausstellung im Rathaus über häusliche Gewalt +++

Zugleich ist auch die Beratung der gewaltbereiten Männer, also der Täter, ein wichtiger Baustein, den der Verein gerne ausgebaut hätte. Der Landkreis habe sich beim Land um die Finanzierung einer Täterberatungsstelle eingesetzt, sei aber leer ausgegangen, berichtet Dörthe Heien. "Es ist noch ein Modellprojekt, weshalb nicht jeder Landkreis berücksichtigt werden konnte." Stattdessen erhielten die Kollegen im Kreis Lüneburg den Zuschlag, die zum Teil aber auch Männer aus dem Landkreis Harburg aufnehmen.

Immer mehr gewaltbereite Männer würden sich melden und Beratung suchen, weil sie ihr Problem erkannt hätten, erklärt Diplom-Psychologin Anja Luppe. Wenn das geschehe, sei das im Grunde der einzige Weg, die Gewaltspirale zu durchbrechen, in die Beziehungen zwischen Mann und Frau ansonsten immer wieder gerieten. "Aber auch viele Frauen suchen sich häufig unbewusst neue Männer aus, die sie abermals schlagen", sagt Anja Luppe.

Die Ausstellung "Rosenstraße 76" läuft vom 12. bis 25. November in den Buchholzer BSS am Sprötzer Weg 33. Am 18. November gibt es einen Tag der offenen Tür; anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November ist zudem ein Vortrag zum Thema Häusliche Gewalt geplant. Anmeldungen für Führungen durch die Ausstellung sind bei Dörthe Heien, Telefon 04181/21 47 60, mögliche. Für konkrete Hilfe steht die BISS unter Telefon 04181/21 71 52 und das Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt unter 01805/29 69 62 zur Verfügung. Weitere Informationen im Internet.

www.gewaltueberwinden-lkharburg.de