Ein Tag mit den Erzieherinnen in einem Buchholzer Kindergarten, in dem unter anderem auch Kinder mit Behinderung umsorgt werden.

Buchholz. Um 9.15 Uhr ist die Welt voll in Ordnung im Integrationskindergarten der Buchholzer Kindergarten-Initiative "Buki". Zwölf Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren, davon drei mit Behinderung, sitzen mit ihren drei Erzieherinnen im Kreis. Jeder Kindergartentag beginnt mit einem Morgenkreis, auch für die "Stern"-Gruppe. Für die Erzieherinnen ist es ist der Start in einen Tag, der zeigt, wie anspruchsvoll ihre Tätigkeit ist.

Drei Wochen war der "Buki" während der Ferien geschlossen. Am Tag zuvor haben die Beschäftigten aufgeräumt, Spielsachen sortiert und gewaschen. Jetzt sind die Kinder wieder in die Kita gekommen. Jetzt ist wieder Leben in der Bude. Es wird wieder gelacht, geweint, gestritten und sich später vertragen. Drei Erzieherinnen begleiten ihre Schützlinge durchs Jahr und stehen ihnen bei allen Höhen und Tiefen zur Seite.

Ein Kind steht im Mittelpunkt im Morgenkreis. An diesem Morgen ist Jonas dran. "Möchtest du zuerst die Kinder zählen oder sagen, welches Datum wir haben", fragt die Erzieherin Friederike Zietan, 55. Jonas schweigt. "Ich helfe dir", sagt die Erzieherin.

Dann zählen sie gemeinsam. Jonas zeigt dabei auf jedes einzelne Kind. Er ist voll konzentriert, steckt die Zunge aus dem Mund. Bei elf ist Schluss. "Aber du bis ja auch noch da", sagt Friederike Zietan. Also sind es zwölf Kinder. Konstantin plappert derweil dazwischen und bekommt deshalb zu hören: "Ich möchte gern, dass du dich meldest".

Dann geht es ums Datum, um Tag und Monat. Die Kinder denken nach, niemand sagt etwas. "Mit 'Au' beginnt der Monat", gibt Friederike Zietan Hilfestellung. "August", kommt es plötzlich aus drei Mündern geschossen. Die Tagesziffer klebt Jonas schließlich auf den richtigen Wochentag.

Julius sagt, er möchte singen - kein Morgenkreis ohne Lied. Und schlägt auch gleich selbst ein Lied vor: "Mein schöner roter Luftballon." Fast alle Kinder kennen das Lied, Friederike Zietan begleitet es auf der Gitarre: "Mein schöner, mein großer, mein roter Luftballon, steigt langsam in die Höhe, fast fliegt er mir davon." Wenn der Ballon in die Höhe steigt, zeigen die Kinder nach oben. Singen mit Bewegung macht die Kleinen glücklich.

Nach dem Morgenkreis, zwei Kinder haben genässt, zieht die Erzieherin Claudia Stübe, 36, die Kinder in ihren Bann. Lotte hat Ausstechformen mitgebracht. In der Küche gibt es Mehl, Zucker, Margarine und Eier. Die Zutaten liegen jetzt auf dem Tisch. "Wir machen alles mit der Hand", sagt Claudia Stübe. "Das schaffe ich!", antwortet die Gruppe unisono. Die Erzieherin knetet den Teig, dann stechen ihn die Kinder mit den Förmchen aus. Danach wird es etwas lauter in der Kita. Aber nicht zu laut. In der Regel gehen die "Stern"-Kinder lieb miteinander um.

Draußen scheint die Sonne. Kurz vor elf Uhr dürfen die Kinder raus. Kita-Leiterin Anette Berger, 60, hat die Aufsicht. Sie greift meistens dort ein, wo zwei Augen mehr nötig sind. Bis jetzt hat sie sich vor allem um einen Dreijährigen mit Down Syndrom gekümmert. Sie hat ihn auf dem Arm gewogen, denn laufen kann er noch nicht. Sie hat mit ihm gesprochen, ihn beim Spielen unterstützt. Nun überwacht sie die Szenerie im Garten der Kita.

Julius fährt mit Jonas und Mattes Fahrrad. Sie drehen eine Runde. Jonas nimmt eine Abkürzung. "Ich bin erster, Anette!", ruft er und bremst vor seiner Erzieherin. Dann kommen Julius und Mattes. "Mattes ist Dritter", verkündet der Abkürzer. Mattes sieht das anders. Anette Berger muss schlichten: "Es gibt zwei Zweite!", sagt die Erzieherin - und das Trio ist zufrieden. Dann muss sie schnell zu Constantin, der vom Gokart gefallen ist und sich das Knie reibt. Lotte hat Anette Berger informiert. Ein liebevoller Blick von ihr auf Constantins Knie genügt - und alles ist wieder gut.

"Für mich ist das immer wieder ein Neubeginn, wenn der Kindergarten nach den Sommerferien wieder seine Pforten öffnet", sagt Anette Berger. "Es gibt neue Kinder in der Gruppe, das ist immer eine große Herausforderung."

Seit 1987 arbeitet die Buchholzerin nun schon in dem Kindergarten. Chemielaborantin hat sie gelernt. Aber Erzieherin war eher ihr Ding. Also absolvierte sie eine vierjährige Ausbildung. Die erste Stelle bekam sie im Kinderheim Forellenhof in Jesteburg. Dann wurden ihre zwei Töchter Marijam und Lena geboren, sie arbeitete in der Familienhilfe und kam später zur Buki, vier Jahre nach Gründung der Initiative.

Jede Kita-Gruppe finde sich langsam, sagt Anette Berger. Da gebe es den Bestimmer. Und es gebe den, der sich vieles sagen lässt. Welches Kind ernst genommen werde, zeichne sich bereits in den ersten Wochen ab.

Wichtig sind in der Buki klare Regeln. Die haben alle Kinder zu befolgen. Wer nicht frühstückt, der kann spielen - aber leise. Spielzeug dürfen die Kinder nur am Montag mitbringen. Wenn andere Kinder Angst vor Gewehren, Schwertern und Masken haben, müssen diese zuhause bleiben. Was gar nicht geht: beißen, kneifen, an den Haaren ziehen, beinstellen, treten, einem anderen Kind etwas wegnehmen.

"Sprache ist wichtig", sagt Anette Berger. "Wir müssen die Kinder zum Sprechen anregen." Deswegen wird in der Buki viel erzählt und vorgelesen - Geschichten, Verse und Reime. Auch Inhalte nachzufragen, sei wichtig. "Wir müssen das spielerischer machen als in der Schule", sagt Anette Berger, "dann sind unsere Kinder auch bei der Sache."

Die Erzieherin findet es immer wieder "unglaublich", was die Kinder im Kindergarten alles lernen müssen. Sie müssten sich auf andere Kinder einstellen, sie müssten lernen zu warten, müssten viele Wünsche zurückstellen. "Manches von dem, was sie sich vorstellen, geht auch gar nicht in Erfüllung", sagt Anette Berger.

Lernen können die Kinder nur über Bindung, lautet die Philosophie in der Buki. "Bindung ist wichtig", sagt Anette Berger, "sie schafft Vertrauen und Sicherheit. Wenn die Kinder Angst haben, lernen sie schlecht, weil sie in einer Hab-Acht-Stellung sind. Je sicherer sie sich fühlen, desto besser können sie sich der Außenwelt stellen und die eigene Welt erkunden."

Ja, sagt Anette Berger, als Erzieherin trage sie sehr viel Verantwortung: "Die Kinder brauchen Begleitung, Schutz und Förderung. Aber dafür bekommen wir Erzieherinnen eindeutig zu wenig Anerkennung. Wir bräuchten die gleiche soziale Anerkennung wie Lehrer und Professoren." Das pädagogische Wissen sei für Kinder im Kindergartenalter wichtiger als für Gymnasiasten und Studenten. "Meine Kollegin ist 27 Jahre alt und verdient für eine 30-Stunden-Woche nur 1100 Euro netto im Monat. Das ist ganz eindeutig zu wenig", sagt Anette Berger.

Die Kita-Leiterin freut sich indes, dass sie in diesem Jahr auch einen jungen Mann hat in der "Stern"-Gruppe: Marcel Liehr, 21, aus Dibbersen. Er berührt schon am zweiten Kindergartentag das Herz von Dawina. Das Mädchen bittet ihn, in ihr Buch "Alle meine Kindergartenfreunde" von Prinzessin Lillifee zu schreiben. Marcel schreibt, dass er "Kinder toll findet, Klettern und den Spaß". Er wünscht Dawina "ganz viel Freude und Liebe und Glück für das ganze Leben". Und er schreibt, was er überhaupt nicht mag: "Stress."