Uneinigkeit lähmt das Beratungsgremium zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Ein Gutachten-Auftrag scheitert vorerst

Wilhelmsburg. Die Beteiligung verschiedener kritischer Bürgerinitiativen an der Planung zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße (B 4/75) droht zu scheitern: Das dazu geschaffene Beratungsgremium "Verkehr Wilhelmsburg/Veddel" des Bezirks Hamburg-Mitte jedenfalls hat sich am Donnerstagabend auch nach mehr als vier Stunden Sitzungsdauer noch nicht einmal auf eine gemeinsame Formulierung eines Prüfauftrages für ein Gutachten einigen können. Mit Hilfe des Gutachtens sollen Belastungen von betroffenen Bürgern vermieden oder reduziert werden.

Ein Vorschlag der Bezirksamtsverwaltung fand keine Mehrheit. Jetzt wird eine informelle Dreierrunde aus Lutz Cassel (Beirat für Stadtentwicklung), Anja Keuchel (SPD) und Jochen Klein (Klagegemeinschaft Rechtsschutz Lebensqualität Wilhelmsburg) "nachsitzen" und einem Kompromissvorschlag formulieren. Eigentlich soll das Beratungsgremium des Bezirks im Herbst ein Ergebnis liefern. Dazu müsste ein Gutachten vorliegen - bis jetzt gibt es noch nicht einmal eine konsensfähige Formulierung für den Auftrag.

Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel sah am Donnerstagabend keine Grundlage mehr, sich an der kleinen Runde zur Rettung der Arbeit im Beratungsgremium zu beteiligen. Die Mitgliederversammlung wird am kommenden Donnerstag zusammenkommen und entscheiden, ob der Verein überhaupt weiter in dem Beratungsgremium mitwirken wolle. Möglicherweise, sagte Manuel Humburg dem Abendblatt, werde der Verein das tun, was er seit Jahren erfolgreich praktiziert habe: den Protest auf die Straße tragen.

30 000 Euro stehen für das Gutachten zur Verfügung. Ein bislang unüberbrückbarer Gegensatz in dem Gremium ist die Frage, was genau ein Gutachter überhaupt untersuchen soll. Verschiedene Bürgerinitiativen fordern, die neue, vierspurige Wilhelmsburger Reichsstraße schmaler, nämlich ohne Seitenstreifen, zu bauen und nur Höchsttempo 50 zuzulassen. Bislang sehen die Planungen eine autobahnähnliche Straße mit Seitenstreifen und Tempo 80 vor.

Projektleiter Klaus Funke von der Behörde Wirtschaft, Verkehr und Innovation sowie Peter Pfeffermann von der Projektmanagementgesellschaft Deges sind davon überzeugt, dass mit dieser schmaleren und langsameren Version der neuen Wilhelmsburger Reichsstraße der bisherige Planungsauftrag verlassen würde. Rechtlich würde die Straße damit einen neuen Charakter erhalten - mit erheblichen finanziellen Folgen: Nicht mehr der Bund wäre zuständig, sondern die Freie und Hansestadt Hamburg. Etwa 100 Millionen Euro müsste dann nicht mehr das Bundesverkehrsministerium bezahlen, sondern die Stadt Hamburg. Das käme dem Aus für die Verlegung der Reichsstraße gleich.

Jetzt will das Beratungsgremium des Bezirks rechtlich prüfen lassen, ob eine schmalere Reichsstraße mit Höchsttempo 50 trotzdem noch in der Baulast des Bundes bleiben könne. Michael Rothschuh und andere Aktivisten fordern, die Rechtsauskunft nicht in einem Ministerium, sondern bei einem unabhängigen Experten einzuholen - sonst sei die Antwort von vornherein klar: ein "Nein" zur "Reichsstraße light".

Nicht alle Bürgervertreter im Gremium sehen die weniger verkehrsstarke Lösung für eine verlegte Reichsstraße als ideal an: Jens Hardel erwartet zusätzliche Belastungen für die Veddel, sollte sich eine eher Verkehrsbremsende Variante durchsetzen. Er wirft Michael Rothschuh Egoismus vor.