Bernd Althusmann sieht sich in Lüneburg verschiedene Modelle für Betreuung der Kinder Berufstätiger an. Betreuungs-Ouote bei 25 Prozent.

Lüneburg. Das Modell klingt reizvoll: Berufstätige Eltern liefern ihre Sprösslinge auf dem Weg zur Arbeit ab, und zwar in einer Kita, die in der Nähe ihrer Firma liegt. In einer Kita, in der die Betreuungszeiten auf die Arbeitszeiten der Eltern abgestimmt sind. In einer Kita, in der Arbeitnehmer von nebenan auch wirklich einen Betreuungsplatz für ihre Kinder bekommen. So etwas gibt es schon, nach Einschätzung des niedersächsischen Kultusministers Bernd Althusmann (CDU) jedoch viel zu selten.

Zahlen aus seinem Hause bestätigen die Einschätzung: Von den landesweit knapp 5000 Kindertagesstätten gehen ganze 34 als sogenannte Betriebskindergärten durch. Im südlichen Hamburger Umland, in den Landkreisen Harburg, Lüneburg und Stade, ist es nach Auskunft der Behörde in Hannover sogar nur ein einziger: der Obstkindergarten in Buxtehude (siehe Infowinkel). Althusmann fordert ein Umdenken: "Unsere Strategie muss es sein, mehr Unternehmen dafür zu gewinnen, Kindertagesstätten einzurichten."

Heute besucht der Minister die Kindertagesstätten des Autozulieferers Johnson Controls in Hannover und der Autostadt in Wolfsburg, um sich über Betriebskindergärten zu informieren. Bereits gestern ist er aus demselben Grund in zwei Lüneburger Einrichtungen gewesen. Die gelten offiziell zwar nicht als Betriebskindergärten, machen aber deutlich: Es kann auch ohne diesen Titel funktionieren. Die DRK-Kindertagesstätte Brockwinkler Wald in Nachbarschaft der Psychiatrischen Klinik Lüneburg etwa ist formal eine öffentliche Kita, gleichwohl gilt sie als sogenannter Teilbetriebskindergarten. Die städtische Gesundheitsholding Lüneburg, Trägerin der Klinik, hat mit dem DRK vertraglich vereinbart: 40 Prozent der Plätze werden mit Gesundheitsholding-Mitarbeiterkindern belegt.

Das DRK hat dafür 2010 neu gebaut, und es hat die Betreuungszeiten auf die Erfordernisse der bei der Gesundheitsholding tätigen Menschen abgestimmt: Ab 5.45 Uhr ist geöffnet, und erst um 18.45 Uhr muss das letzte Kind das Haus verlassen haben. "Der Bedarf für diese extremen Betreuungszeiten ist da", sagt Matthias Körte, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Lüneburg. Und die Gesundheitsholding wiederum richte sich auch bei der Dienstplangestaltung nach den Kita-Öffnungszeiten, wie Geschäftsführer Rolf Sauer betont. Er sagt: Wer sich für einen Betriebskindergarten entscheidet, muss finanzielle und organisatorische Kompromisse eingehen."

Kultusminister Althusmann regt unterdessen an, dass Firmen ihren Mitarbeitern Kitaplätze als Sachleistung - etwa anstatt einer Tariferhöhung zur Verfügung stellen könnten. Er ist sich sicher: "Wenn sich Arbeitgeber familienfreundlich geben, steigen auch die Leistungen der Mitarbeiter."

Deutlich kleiner als die Gesundheitsholding, bei der etwa 2800 Menschen in Lohn und Brot stehen, ist die Johann und Erika Loewe Stiftung im Stadtteil Ochtmisse - dort erfahren psychisch Kranke Unterstützung und Hilfe - mit ihren etwa 100 Mitarbeitern. Ein relativ kleiner Betrieb, der eine entsprechend kleine Lösung für die Kinder der Mitarbeiter gefunden hat: eine sogenannte Großtagespflegestelle. Das bedeutet, dass sich hier selbstständige "Tagespflegepersonen" (die überwiegend weiblichen unter ihnen nennt der Volksmund schlicht Tagesmütter") um Kinder im Krippenalter kümmern.

Zehn Plätze werden angeboten, drei davon sind zurzeit von Kindern der Mitarbeiter belegt. Die Stiftung hat den Tagespflegepersonen die Räumlichkeiten vermietet - zu einem sehr günstigen Preis allerdings, wie Tagesmutter Nicole Jasinski betont. Müssten Tagespflegepersonen Räume zu marktgerechten Preisen anmieten, würde sich das Geschäft kaum lohnen, sagt sie. Und: "Die Stiftung will ja nicht durch uns Gewinn machen, sondern sie gewinnt durch uns." Loewe-Stiftung-Geschäftsführerin Katja Puhlmann sagt, diese Lösung sei für einen eher kleinen Betrieb die unkomplizierteste gewesen.

Kultusminister Althusmann will auch dieses Modell befördern: "Wir können das ein ganzes Stück voranbringen, wenn wir zeigen, wie es geht, wie man so etwas organisiert."

Unterdessen hat Althusmann bekannt gegeben, dass in Niedersachsen aus Bundes- und Landesmitteln nunmehr 333,7 Millionen Euro für Investitionen in neue Krippen- und Tagespflegeplätze zur Verfügung stehen. Vom kommenden Sommer an hat auch jedes Kleinkind einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Bald werde die Betreuungsquote bei 25 Prozent liegen.