Buch über die Richtstätten und die Kriminaljustiz in der Region Lüneburg ist nicht nur etwas für Leser mit Lust am Morbiden

Lüneburg. Die Richtstätten im Landkreis Lüneburg haben die Archäologen Marc Bastet und Dietmar Gehrke untersucht. Dabei haben sie vergessene Richtstätten wiedergefunden - und herausgearbeitet, dass die Lüneburger Gerichte nicht so blutrünstig wie solche an anderen Orten waren. In ihrem Buch "Der Weg zum Galgen", erschienen im Merlin Verlag, halten Bastet und Gehrke ihre Forschungsergebnisse fest.

Auf die Idee kamen der Kreisarchäologe Gehrke und der freiberufliche Archäologe Bastet auch wegen der bis dato verfügbaren Werke anderer Verfasser. "Es mangelt nicht an Büchern über spektakuläre Hinrichtungen und Kriminalfälle aus der Region", sagt Dietmar Gehrke, "doch meistens sind die für Leser mit Lust am Morbiden." Sie wollten einen Gegenpunkt setzen. "Wir wollen Denkmale und vergessene Ortschaften wieder bekannt und lebendig machen", erklärt Marc Bastet. Dafür haben die beiden Autoren alte Dokumente und Flurnamen untersucht. "Von den Richtstätten ist mit Glück noch ein kleiner Hügel übrig. Zu identifizieren sind sie jedoch meist durch Flurnamen wie die Straße Am Galgenberg in Lüneburg", sagt Bastet.

Dort hat man bei Bauarbeiten in einer Nebenstraße, dem Köppelweg, 1928 die Skelette der verscharrten Opfer gefunden. Dass die Leichen nicht begraben wurden, konnten die Archäologen durch die Fundsituation feststellen. "Die Knochen lagen unnatürlich. Der Hingerichtete wurde einfach zusammen mit seinem abgeschlagenen Kopf in ein Erdloch auf dem Galgenberg geworfen", sagt Dietmar Gehrke. Oft seien die Richtplätze heute gekennzeichnet, wie der Gallaberg in Salzhausen. "Den Galgen errichtete man auf einem Hügel, damit jeder von weit her sehen konnte, was mit Gesetzesbrechern geschah. Denn Richtstätten waren immer auch ein Zeichen von Macht", sagt der 46-Jährige.

In erster Linie sei es gar nicht darum gegangen, den Missetäter zu bestrafen, sondern darum Macht zu beweisen. Habe es Konkurrenz zwischen zwei Gerichten gegeben, sei auch die Zahl der Hinrichtungen gestiegen.

35 verzeichnete Hinrichtungen gab es zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert in Lüneburg. "Das ist sehr wenig im Vergleich zu einigen Städten in Süddeutschland", sagt Bastet. Welche Missetaten mit Hinrichtung bestraft wurden, sei jedoch von Zeit zu Zeit unterschiedlich.

"Während des 30-jährigen Kriegs wurden viele Straßenräuber bestraft, danach richtete sich der Fokus auf Mörder, im Besonderen Kindsmörder", sagt der Historiker. Die letzte Hinrichtung in Lüneburg fand erst 1935 statt. Allerdings nicht auf einem Galgenberg, sondern im Gerichtsgefängnis, dort wo heute das Gesundheitsamt steht. Henny Meyer aus Betzhorn wurde enthauptet. In den Jahrhunderten davor wäre das die am wenigsten unehrenhafte Strafe gewesen. "Jede Strafe hatte eine Bedeutung. Das Hängen entehrte den Körper, er durfte nicht auf einem Friedhof begraben werden", sagt Gehrke, "als Gnadenakt galt es darum, wenn jemand, der eigentlich gehängt werden sollte, enthauptet werden durfte."