Bräuche für Ehefrauen in spe: Modeschneiderin Ramona Scharfenberg erklärt die Regeln

Ramelsloh. Seit zweieinhalb Jahren ist Ramona Scharfenberg, 25, als Brautmodenschneiderin und Designerin im Geschäft - früher in Hamburg angestellt, jetzt selbstständig in ihrem Atelier in Ramelsloh. So etwas hat sie aber noch nie erlebt: Ihre Kundin Wiebke Schäfer stellt einen schweren Sack auf den Ladentisch und bezahlt ihre Brautschuhe mit Cent-Stücken. Dabei pflegt die 29-Jährige mit dem Bronzeschatz nur eine alte Tradition. Früher sollte die Braut das Geld für den Schuhkauf Pfennig für Pfennig - heute Cent für Cent - zusammensparen. Angeblich demonstrierte sie so ihren Fleiß.

Klar, dass Ramona Scharfenberg den Wechselgeld-Überschuss angenommen hat. "Ich finde es liebenswert, den alten Brauch zu wahren", sagt sie. Insgesamt 110 Euro in Bronzemünzen hat die Modeschneiderin damit in der Kasse. 15 Euro legte Wiebke Schäfer noch in Scheinen nach. So ganz hat die Münzsammlung nicht gereicht. Ihre Familie hatte im wahrsten Sinne des Wortes jeden Cent beiseite gelegt.

Wiebke Schäfer ist auf Finkenwerder groß geworden, lebt aber seit drei Jahren in Niederbayern. Ihre alte Heimat hat sie immer noch im Blick: Im Hamburger Abendblatt hat sie über die "Designerin mit dem Doppelleben" gelesen. Ramona Scharfenberg entwirft nicht nur Braut- und Abendkleider, sondern schiebt noch im Nachbardorf Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr. Wiebke Schäfer hat sich für den "Hanseatenchic" begeistert, für den das Label "Monaberg" aus Ramelsloh steht, und sich von Ramona Scharfenberg ihr Brautkleid schneidern lassen. Inzwischen hat die Neu-Bayerin geheiratet: im Hamburger Süden, in der Sinstorfer Kirche.

Auch die Brautmodendesignerin hat an diesem Wochenende geheiratet: am Freitag im Hittfelder Rathaus. Ihr selbst entworfenes Brautkleid trägt Ramona Scharfenberg dann am Sonnabend bei der feierlichen Zeremonie auf Schloss Scharfenberg bei Dresden. Verwandt oder verschwägert ist sie mit der sächsischen Adelsfamilie nicht.

Eigentlich sollte eine Braut, auch wenn sie noch so gut mit Nadel und Faden umgehen kann, ihr eigenes Hochzeitskleid nicht selbst schneidern. Jeder Stich bedeute Tränen und Unglück, lautet ein alter Aberglaube. Er stammt aus der Zeit, als der Bräutigam das Brautkleid bezahlen musste. Entschied sich die Frau für einen armen Schlucker, blieb der Braut nichts anderes übrig, als ihr Kleid selbst zu nähen. Die Ehe stand also unter dem unglücklichen Zeichen der Armut.

Bei ihrem Polterabend ist die Brautmodendesignerin nach der Bronzeschatz-Überraschung zum zweiten Mal "Opfer" eines Hochzeitsbrauches geworden: Gäste hämmerten ihre chicen blauen Pumps mit kräftigen Nägeln an eine Holzwand. Ausgerechnet die Barfüßigkeit soll verhindern, so der Sinn oder Unsinn des Rituals, dass die Braut nicht doch noch in letzter Minute "kalte Füße" bekommt und sich aus dem Staub macht.

Der Brauch um die Braut - die Anzahl der Rituale für den Hochzeitstag scheint beinahe unendlich. Ein bekannter Brauch bei uns stammt aus dem Englischen und soll bis auf die Viktorianische Ära (1837 bis 1901) zurückgehen. Demnach müsse die Braut am Hochzeitstag unbedingt vier Dinge tragen: etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues.

Das Alte, etwa ein Schmuckstuck, steht dabei für Fortführung der Familientraditionen. Das Neue, oft das Brautkleid, symbolisiert Optimismus und den neuen Lebensabschnitt. Das Geliehene, meist ein Schmuckstück oder Handschuhe der besten Freundin, dient als Glücksbringer und steht für Freundschaft. Die Farbe Blau ist ein Zeichen für Treue und ein glückliches Eheleben. Nicht selten tragen Bräute deshalb ein blaues Strumpfband. Ramona Scharfenberg hat sich dazu etwas ganz Besonderes ausgedacht: Sie hat blaue Strasssteinchen auf die Sohlen ihrer Brautschuhe geklebt, die das Wörtchen "Ja" bilden.

Eigentlich sind es nach dem alten englischen Brauch nicht vier, sondern fünf Dinge, die die Braut braucht. Demnach soll sie noch eine Silbermünze im Schuh tragen. Der englische Zusatz "and a silver sixpence in your shoe" ist heute bei uns aber offenbar verloren gegangen.

Der wohl bekannteste Hochzeitsbrauch, in Kinofilmen überstrapaziert, dürfte der Wurf des Brautstraußes sein. Die Frau, die ihn fängt, soll angeblich als Nächste heiraten.

Geschäftstüchtig wird Ramona Scharfenberg bei ihrer eigenen Hochzeit eine besondere Konstruktion ihrer Floristin in die Menge werfen: ein Blumenstrauß, der sich in der Luft in drei kleinere Sträuße teilt. Auf diese Weise bringt die Brautmodendesignerin gleich drei Frauen auf einmal unter die Haube - und dazu brauchen die Bräute natürlich Hochzeitskleider.