Politiker fordern Umsetzung der Empfehlungen aus Gutachten, das Änderrungen vorsieht - Händler halten diese für unpraktikabel.

Harburg. Frischer Fisch, Obst, Gemüse und Blumen: Nach wie vor setzen Harburgs Markthändler hauptsächlich aufs altbekannte Sortiment, obwohl Politik und Verwaltung seit zwei Jahren auf Veränderungen drängen. Wie berichtet, ergab ein Gutachten der HafenCity Universität, dass der Wochemarkt in dieser Form nicht mehr zukunftsfähig ist und sich sogar negativ auf die Attraktivität der Innenstadt auswirken würde.

Aktuell profitieren umliegende Geschäfte noch immens vom Kundenmagneten Wochenmarkt. Gäbe es den Wochenmarkt nicht mehr, so würden auch Läden am Sand und entlang der Hölertwiete Umsatzeinbußen hinnehmen, wenn nicht gar dichtmachen müssen, heißt es in dem Gutachten. Deshalb sollten die Standinhaber nicht ausschließlich auf ihre Stammkundschaft, meist Senioren, setzen.

Sind diese erst einmal zu betagt für den täglichen Einkauf, ließe sich der Verlust schlecht auffangen. Grund dafür sei die Bevölkerungszusammensetzung des Stadtteils: Ein hoher Anteil an Migranten und Familien in prekären Lebenssituationen mache es den Händlern zusätzlich schwer. Diese Klientel würde sich eher bei Discountern eindecken, als zur meist teureren Frischware zu greifen. Die Marktleute müssten also laut HCU-Analysten auf anderes Klientel setzen: Studenten, Bewohner umliegender Landkreise sowie Büroangestellte sollen durch eine Sortimentsänderung, ein größeres Imbissangebot sowie Öffnungszeiten bis in die Nachmittagsstunden für den erlebnisreichen Einkauf auf dem Markt gewonnen werden. Aus der Sicht von Harburgs Politikern erweisen sich die Marktleute als beratungsresistent. "Da tut sich leider wenig", sagt Carsten Schuster, Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Bezirksversammlung. Nach wie vor hapere es an der Vielfalt und am kulinarischen Angebot.

"Es gibt doch so viele Hobbyköche. Die interessieren sich bestimmt dafür, was sich unter anderem aus Gemüse der Saison zaubern lässt. Die Händler könnten kleine Gerichte zusammenstellen und samt Rezept anbieten, quasi ihren Kunden damit einen besonderen Service bieten. Dann erhält der Markt ein tolles Alleinstellungsmerkmal, das bestimmt auch Kunden aus dem Umland nach Harburg ziehen würde", so Schuster. Stattdessen fehle der Wille zu Innovationen. "Da wurden 50 000 Euro in Gutachten investiert, und es tut sich nichts. Man fragt sich, ob die Inhalte ernst genommen werden. Die Verkäufer müssten doch ein Interesse daran haben, auf Dauer hier ihr Geld verdienen zu können", so Schuster.

"Wir haben politisch keinen Einfluss darauf, was die Händler an ihren Ständen verkaufen. Da kann man nur immer wieder Vorschläge zur Verbesserung machen und auf Einsicht hoffen", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Heimath. Auch CDU-Fraktionschef Ralf Dieter Fischer bemängelt das Sortiment. "Die Angebotspalette ist in den vergangenen Jahren immer dünner geworden", sagt er.

Und Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen: "Das Bezirksamt sollte sich darum bemühen, auf Gastronomie spezialisierte Verkäufer auf den Wochenmarkt zu holen." Außerdem solle es für die etablierten Beschicker Investitionshilfe und Beratung vom Amt geben, damit sich etwas bewege.

Die Marktleute winken ab. Laut Geflügelhändler Henner Schönecke sei die heiße Würstchentheke neben dem Aufschnittverkauf oder die Gemüsepfanne zusätzlich zum Obst- und Gemüsestand für viele Anbieter nicht zu organisieren. "Einige Kollegen verkaufen morgens auf dem Markt, nachmittags arbeiten sie auf ihrem Bauernhof - da ist der Betrieb eines zusätzlichen Imbissstands einfach nicht mehr leistbar", sagt Schönecke.

Öffnungszeiten bis in den Nachmittag, um mehr berufstätige Kundschaft auf den Markt zu locken, seien nicht praktikabel. "Vor zwei Jahren haben wir probeweise einen langen Donnerstag eingeführt. Das wurde von den Leuten nicht angenommen", so der Sprecher. Er setzt mit seinen Kollegen eher auf Werbeaktionen, wie unter anderem die aktuelle Marktbeschicker-Broschüre, um den Markt überall bekannt zu machen. Außerdem solle die Marktordnung flexibler gehalten werden. "Es ist verboten, sich etwa an Sonnabenden als besondere Attraktion einen Autohändler auf den Sand zu holen. Auch Kunsthandwerker dürfen sich nicht zu uns gesellen. Da wünsche ich mir etwas weniger Bürokratie", so Schönecke. Über den Branchenmix bestimme nun mal das Bezirksamt, so Schönecke.

47 Händler haben sich für das Geschäft auf dem Sand angemeldet. Wer an welchen Wochentagen dort verkaufen darf, darüber entscheidet die Verwaltung. "Wir achten da schon auf Vielfalt. Sonderaktionen müssen abgestimmt werden", sagt Behördensprecherin Beatrice Göhring. Weshalb es dann dazu kommt, dass sich auf dem Sand nach Beobachtungen des Abendblatts an manchen Tagen fünf Blumenhändler tummeln und drei Obsthändler mit nahezu identischem Angebot in unmittelbarer Nachbarschaft? "Wir können den Verkäufern nicht vorschreiben, welche Blumen sie jeweils verkaufen und welche Obstsorten der eine mitbringen darf, der andere aber nicht", sagt Göhring. "Zur Sortimentsänderung zwingen können wir niemanden"