Um Kriegsgräber im Landkreis Lüneburg kümmern sich Jugendliche aus Deutschland, Polen und Russland

Lüneburg. Eifrig wischen sie mit Wurzelbürsten Inschriften sauber, kratzen Unkraut aus den Fugen oder schneiden Bodendecker zurück: 24 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren aus Deutschland, Polen und Russland pflegen drei Tage lang ehrenamtlich Kriegsgräber im Landkreis Lüneburg. Die Deutsche Kriegsgräberfürsorge will mit dem sogenannten "Workcamp" aktiv zur Völkerverständigung beitragen.

"Das ist Arbeit für den Frieden", sagt Birgit Putensen. Die Harburgerin leitet das Workcamp ehrenamtlich. "Es geht darum, Vorurteile abzubauen und Freunde aus anderen Ländern zu finden", sagt sie. Das geschieht nicht ausschließlich bei der Arbeit. Die Jugendlichen unternehmen Ausflüge, um sich besser kennenzulernen und setzen sich in Projekten mit den Themen Kindersoldaten und Zeitzeugen auseinander. Von so einem Zeitzeugen, dem 84-jährigen Wolf Wargenau, ist die 17-jährige Isabelle Voigt aus Hannover besonders beeindruckt. "Er hat erzählt, wie er in der Hitlerjugend langsam das Gedankengut verinnerlicht hat. Es ist etwas anderes, die Geschichte von jemandem zu hören, der dabei war", sagt sie.

Vor der Arbeit auf dem Friedhof hat den Jugendlichen die Betreuerin, Birgit Putensen, näher gebracht, was für Gräber sie pflegen werden. "Kriegstote können Soldaten sein, aber auch Zivilisten oder Kriegsgefangene", sagt Birgit Putensen, "immer wieder stößt man auch auf Kinder, die jünger waren als die Teilnehmer am Workcamp." Die Gruppe hat auf dem Friedhof in Barskamp und dem Zentralfriedhof in Lüneburg gearbeitet. Die 17-jährige Isabelle Voigt hätte nicht gedacht, dass sie während der zwei Wochen in Lüneburg nur drei Tage auf den Friedhof arbeiten würde. "Es geht nicht in erster Linie um die Arbeit", erklärt ihre Betreuerin Birgit Putensen. Die Gräber seien leicht zu pflegen, die Arbeit nicht sehr hart. Wenn die Jugendlichen einen Stein freischnitten, würde der Blick jedoch automatisch auf die Daten fallen, das rege zum Denken an.

Das bestätigt Denis Vorobyev aus Arkhangelsk in Russland: "Ich schaue mir die Namen an und überlege, aus welchem Land die Menschen wohl gestammt haben. Ich habe auch schon einige russische Namen gesehen", sagt er. Der 20-Jährige studiert Ingenieurwesen für Öl- und Gasförderung. Beim Workcamp macht er mit, um mehr über den Krieg zu erfahren. "Ich wusste schon vorher, das viele Russen gefallen sind. Durch die Gespräche mit den Zeitzeugen kann man das alles besser verstehen", sagt er, zudem habe er unbedingt einmal Deutschland besuchen wollen. Isabelle Voigt holt sich mehr Informationen aus den Dokumenten, die über die Grabstätten vorliegen. "Die dürfen wir einsehen, da steht viel Interessantes aber auch Schockierendes drin", sagt sie.

Zum ersten Mal seit langer Zeit ist das Workcamp wieder in Lüneburg. Über zehn Jahre war es im Partnerlandkreis Wagrowiec, dann in Moskau. "Jeder kann so oft mitmachen, wie er will", sagt Betreuerin Birgit Putensen.

Ekaterina Libschits aus St. Petersburg pflegt insgesamt vier Wochen in ihren Ferien Kriegsgräber. Vor zwei Wochen war sie in einem zweiwöchigen Camp in Mölln. Dann hat sie zwei Wochen Pause im Ruhrgebiet gemacht, jetzt ist sie in Lüneburg. "In Mölln haben wir auch noch die Grabinschriften nachgezogen, hier putzen wir die Steine nur", sagt sie. Ihr Freund habe sie auf die Idee gebracht. Bei einem Workcamp im vergangenen Jahr habe er viele neue Kontakte geknüpft. "Man macht sich plötzlich über Sachen Gedanken, über die man noch nie nachgedacht hat. Aber in den Zimmern zusammen mit Polen und Deutschen ist es auch sehr lustig", sagt Ekaterina. In der Schliefenkaserne sind die Jugendlichen und ihre Betreuer untergebracht.

Absichtlich hat Birgit Putensen Polen, Deutsche und Russen nicht in getrennten Zimmern untergebracht. "Ich will diese Länder-Gruppen aufspalten. Und so gelingt das am besten", sagt sie. Zudem gäbe es eine Wand mit den Namen der Teilnehmer und kleinen Briefumschlägen, dort könnten sie sich gegenseitig Nachrichten schreiben. Auch Stadtrallyes oder der Besuch im Heide-Park soll die Gruppen durchmischen. Das klappt ganz gut. Die Jugendlichen unterhalten sich bei der Arbeit in einer Mischung aus Englisch und Deutsch. Manchmal gibt es einige Brocken Russisch.

Natascha Hametschina kann gut Deutsch, die 17-Jährige lernt es in der Schule. Sie nimmt bereits an ihrem zweiten Workcamp teil. Dort hat sie Freunde gefunden, mit denen sie noch immer Kontakt hat. Drei Tage hat ihre Reise von Russland nach Deutschland gedauert. Einen Tag war sie mit dem Zug unterwegs, zwei weitere Tage mit dem Bus. "Ich interessiere mich für den Krieg, weil man sich nur so für den Frieden einsetzen kann", sagt sie.