Stolpersteine erinnern an das grausame Schicksal von 19 jüdischen Mädchen und Jungen in Harburg

Harburg. 19 jüdische Jungen und Mädchen aus Harburg haben die Nationalsozialisten bis 1945 ermordet. An ihr Schicksal erinnern heute sogenannte Stolpersteine vor den früheren Wohnhäusern der Kinder. Klaus Möller von der "Initiative Gedenken in Harburg hat am Sonnabend bei einer Führung an Kinder und Jugendliche erinnert, die brutal aus ihrem Leben in Harburg gerissen und in Vernichtungslager gesteckt wurden. 17 Frauen und Männer gingen mit, putzten das Messing der Erinnerungssteine und legten zum Gedenken Rosen nieder.

Stolpersteine sind mit einer Messingplatte versehene Betonwürfel, eingebettet in den Bürgersteig. In das Messing eingraviert sind die Namen und Lebensdaten von Opfern der Nationalsozialisten. Geschaffen hat die Stolpersteine der Kölner Künstler Gunter Demnig. 155 gibt es mittlerweile im Bezirk Harburg, mehr als 20 000 insgesamt.

Die meisten Teenager, die sich heute einen schönen Abend im Harburger Kino machen, dürften etwa so alt sein wie Hanni Gumbrecht 1941, als die Nazis das Mädchen zur Zwangsarbeit in das Rigaer Ghetto deportierten. Wo heute das Cinemaxx steht, lebte Hanni in einer komfortablen Sechszimmerwohnung. Gleich nebenan war das Lampengeschäft, das ihre Mutter Elfriede erfolgreich führte. Das Geschäft musste Elfriede Gumbrecht 1938 weit unter Wert verkaufen, als das Dritte Reich die Juden aus dem Wirtschaftsleben drängte - der Beginn des Leidensweges.

Muter und Tochter mussten in eine einfache Einzimmerwohnung umziehen. Die Ersparnisse gingen zur Neige. Im Winter 1940 hat Elfriede Gumbrecht einen Antrag bei der Harburger Verwaltung eingereicht, zwei Nächte in einem Hotel übernachten zu dürfen. "Sie wollte einfach nur, dass ihre Tochter in einem beheizten Raum schlafen konnte", sagt Klaus Möller. Der Antrag wurde abgelehnt. Am 6. Dezember 1941 wurden Elfriede und Hanni Gumbrecht nach Riga, später in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verschleppt. Beinahe hätten sie überlebt: Die Mutter starb erst kurz vor Kriegsende am 2. Januar 1945. Wann Hanni zu Tode kam, ist nicht bekannt.

Einer der wenigen Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz stammt aus Harburg: Nathan Apteker. Die Familie mit Tochter Lisette, geboren 1930, lebte in der Ludwig-Frank-Straße, die heute Rieckhoffstraße heißt. Kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, flüchteten die Aptekers nach Belgien, wie rund 50 000 andere deutsche Juden zwischen 1933 und 1939 auch. Hier brachte Editha Apteker noch die Kinder Susanne und Charles zur Welt. Die Familie wurde 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. "Alle unter 15 Jahren und über 45 Jahren wurden sofort in die Gaskammern geführt", sagt Klaus Möller. "Sie hatten keine Chance." Nur der Vater, Nathan Apteker, überlebte.

Wo sich heute das Schuhhaus Schüttfort in der Harburger Fußgängerzone befindet, lebte in den 1930er-Jahren Jost Pommerantz, geboren 1928. Sein Vater Max führte das frühere Konfektionshaus Joseph Meier. Max Pommerantz hoffte wie so viele deutsche Juden, dass der "Spuk mit Hitler" bald enden würde. Von den Nazis ihres Vermögens beraubt, erkannte die Familie die Gefahr zu spät. Die Idee einer Flucht nach Kolumbien scheiterte am Geld. Illegal, auf nicht seetüchtigen Schiffen, versuchten Jost Pommerantz und seine Eltern sich mit anderen Juden über Belgrad an das Schwarze Meer und weiter nach Palästina durchzuschlagen. Die Rumänen, Verbündete Hitlers, stoppten die jüdische Expedition. Jost, so Klaus Möller, wurde 1941 bei den ersten Versuchen mit Gaswagen bei der Tötung von Juden in Belgrad ermordet.

Diese und andere Schicksale von Menschen aus Harburg, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ermordet wurden, hat die "Initiative Gedenken in Harburg" recherchiert. Ihr gehören 15 Männer und Frauen an. "Geschichte von unten" ist ihr Ansatz. Sie legen ihr Hauptaugenmerk auf die Lebenswege einzelner Menschen. Klaus Möller: "Wir wollen den Opfern ein Gesicht und einen Namen geben."

Die "Initiative Gedenken in Harburg" lädt ein: Filmvorführung: "Kindertransport - In eine fremde Welt", Donnerstag, 25. November, 19 Uhr, St. Johanniszentrum, Bremer Straße 9, in Harburg. Lesung: Lisa Petersen und Cilly Horwitz lesen aus Briefen an die Harburger Kinder Max und Cilly Horwitz im englischen Exil während des Zweiten Weltkrieges, Montag, 29. November, 19.30 Uhr, Bücherhalle Harburg, Eddelbüttelstraße 47a.